Wo Utopien funktionieren

Kurt Langbein hat für seinen jüngsten Kinofilm die Perspektive gewechselt.
Kurt Langbein hat für seinen jüngsten Kinofilm die Perspektive gewechselt.(c) KLAUS@KPIC.AT
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Jahrelang hat Kurt Langbein als Filmemacher Probleme angeprangert. Mit der Dokumentation „Zeit für Utopien“ will er nun lieber Lösungen aufzeigen.

Es sei, sagt Kurt Langbein, für ihn selbst eine spannende Wandlung gewesen. Aus der gesellschaftskritischen Publizistik kommend, sei er als Filmemacher ja bisher „immer der Vertreter der Anklage gewesen“. Viel und lang habe er erzählt „über die Folgen des Raubtierkapitalismus in der Dritten Welt, bei uns und in unseren Köpfen“. Die Frage, die sich dabei stelle, sei immer dieselbe: „Geht es denn überhaupt anders?“

Ja, glaubt zumindest Langbein nach der Recherche für seinen jüngsten Kinofilm. Der heißt zwar „Zeit für Utopien“, erzählt aber von alternativen Wirtschaftsmodellen, die es bereits gibt. „Ich habe den Eindruck, und natürlich bin ich jetzt auch nah dran, dass es knistert“, sagt Langbein. „Dass eine durchaus nicht schmale Gruppe von Menschen jetzt schon die Schritte dazu setzt. Die sagen: Wir wissen schon länger, dass wir anders agieren müssen, und jetzt tun wir es.“

Was diesen Gruppierungen fehle, sei ein gemeinsames Narrativ. Eines, das zeige, „dass Wirtschaften ohne Gier möglich ist, dass ein anderer Zugang zu Konsum wünschenswert wäre und nichts mit schmallippigem Verzicht zu tun hat, sondern eine andere, schönere Lebensbasis schafft, sodass die Ersatzhandlung Konsum gar nicht mehr so nötig ist.“

Von solchen Menschen aus aller Welt erzählt Langbein nun in seinem Film. Größte Entdeckung war für ihn Hansalim: Eine südkoreanische Vereinigung solidarischer Landwirtschaft, in der 2000 Höfe gemeinsam über 1,6 Millionen Menschen versorgen. 70 Prozent der Konsumentenpreise landen direkt bei den Herstellern. „Man sieht hier, dass auch Kleinbauern gut leben können, wenn der eiserne Vorhang, der sich Markt nennt, nicht zwischen Produzenten und Konsumenten steht und nicht 40 bis 60 Prozent vom Preis im Marketing und in den Konzernen landen.“

Daneben besuchte der langjährige Fernsehjournalist das Wiener Gärtnerprojekt Ochsenherz, eine deutsche Ex-Werberin, die heute ein solidarisches Landwirtschaftsprojekt in Bayern bewirbt, und die Züricher Kalkbreite, einen von einer Genossenschaft von Architekten und Ingenieuren gebauten, energieeffizienten Wohn- und Gewerbebau. Aber auch eine südfranzösische Teefabrik, die der Unilever-Konzern schließen wollte, und die heute von ihren eigenen Mitarbeitern geführt wird, und mit der Firma Fairphone eine Kobaltmine im Kongo, „dort, wo die Menschen mit Schaufeln und Krampen unsere Rohstoffe aus dem Boden schaufeln. Welche Arbeits- und Lebensbedingungen die haben, das wusste ich in dieser drastischen Form selbst nicht.“

„Fair sein macht glücklich“

Er habe versucht, die Bereiche des täglichen Lebens mit dem größten ökologischen Fußabdruck exemplarisch abzudecken, sagt Langbein: Lebensmittel, Wohnen, Konsum und Verkehr. Letzteren hat er ausgelassen. „Da ist eh klar, was zu tun ist.“ (Und nein: E-Autos seien nicht der Weisheit letzter Schluss.) Aber handelt es sich bei all dem nicht letztlich doch um Elitenphänomene? Langbein glaubt das nicht. „Gesellschaftliche Änderungen sind immer von einer Form von Avantgarde vorweggenommen worden.“

Und auch die menschliche Gier sei nur einer von zwei Polen. Menschen, zitiert Langbein wissenschaftliche Forschungsergebnisse, seien „gerne fair, weil es sie glücklich macht, es wirkt aufs Belohnungssystem. Erst wenn man sieht, dass Trittbrettfahrer Erfolg haben, bricht das System auseinander.“ Dass es „so wie bisher nicht weitergeht, das wissen mittlerweile fast alle“, meint er. Was nun nötig sei, seien „Zukunftsbilder, die zeigen, dass Auswege nicht nur notwendig, sondern machbar sind“.

ZUR PERSON

Kurt Langbein (64) wurde 1953 als Sohn des Historikers und Widerstandskämpfers Hermann Langbein geboren. Von 1979 bis 1989 arbeitete er für den ORF, danach beim „Profil“. Seit 1992 produziert er mit „Langbein & Partner Media“ Dokumentarfilme und TV-Reportagen. Daneben schrieb er Sachbücher („Bittere Pillen“, „Radieschen von oben“, „Weißbuch Heilung“). 2015 Kino-Doku „Landraub“. „Zeit für Utopien“ läuft ab heute, Freitag, in Österreichs Kinos. In Deutschland war er damit schon unterwegs, Schweiz und Südkorea folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2018)

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