Harvey Weinstein: Hollywoods Bösewicht vor Gericht

Harvey Weinstein stellte sich zwar freiwillig der Polizei in New York. Der ehemalige Hollywood-Tycoon ging vorerst auch gegen eine Kaution von einer Million Dollar in bar frei. Die Beamten kannten allerdings keinen Promi-Bonus.
Harvey Weinstein stellte sich zwar freiwillig der Polizei in New York. Der ehemalige Hollywood-Tycoon ging vorerst auch gegen eine Kaution von einer Million Dollar in bar frei. Die Beamten kannten allerdings keinen Promi-Bonus. (c) REUTERS (SHANNON STAPLETON)
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Harvey Weinstein, der einst mächtige Filmmogul, erschien zur Anklageerhebung in New York vor Gericht. Er muss sich wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs verantworten.

Wien/New York. Die Reporterschar vor der Polizeistation in Manhattan lauerte auf den einst mächtigen Filmmogul, der seit acht Monaten von der Bildfläche verschwunden, aber als „Oberbösewicht“ in aller Munde war. Wochen-, wenn nicht monatelang war Harvey Weinstein in einer Klinik für Sexsüchtige in Arizona untergetaucht. Als er sich Freitagfrüh der Polizei stellte, konfrontiert mit der Anklage wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs, hatte er ein mildes Lächeln aufgesetzt und schleppte mehrere dicke Schmöker unter dem Arm – darunter eine Biografie über den Starregisseur Elia Kazan („Die Faust im Nacken“), der aufgrund seiner Kollaboration mit dem Kommunistenjäger Jospeh McCarthy in Hollywood in Verruf geraten war.

Kaution und Fußfessel

Weinstein wird bis zum Beginn des Prozesses viel Zeit für Lektüre aufwenden können. Der 66-Jährige ging zwar gegen eine Kaution von einer Million Dollar in bar einstweilen frei. Seine Bewegungsfreiheit ist aber eingeschränkt: Er musste seinen Pass abgeben, und zur Überwachung trägt er eine Fußfessel. Nicht nur die Behörden in New York, sondern auch die in Los Angeles und London ermitteln in einigen Fällen gegen Weinstein, der sich die Dienste eines prominenten Anwalts gesichert hat. Benjamin Brafman zählte Michael Jackson und Dominique Strauss-Kahn, den Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds, zu seinen Klienten. Er präsentierte sich gestern als beinharter Verteidiger, der Weinsteins Unschuld beschwor und ankündigte, dessen Opfer einem Kreuzverhör zu unterziehen.

Bei den Filmfestspielen in Cannes, wo Weinstein einst umtriebiger Mittelpunkt gewesen war, versammelte Jurypräsidentin Cate Blanchett kürzlich Mitstreiterinnen aus der Filmbranche auf dem roten Teppich zur machtvollen Demonstration der #Me-Too-Bewegung, die auf die Weinstein-Affäre zurückgeht und zumindest Hollywood verändert hat. In einer emotionalen Rede schilderte die italienische Schauspielerin Asia Argento, wie Weinstein sie in Cannes 1997 vergewaltigt hatte. Dutzende Frauen aus dem Filmbusiness, berühmte und unbekannte, traten auf den Plan, um ihre unliebsamen Begegnungen in Hotelsuiten zu schildern. Uma Thurman wünschte Weinstein zum Teufel, Salma Hayek schrieb in der „New York Times“ über ihre Pein beim Dreh zum Frida-Kahlo-Film.

Die Welt des Harvey Weinstein, von Meryl Streep einmal nur halb ironisch als „Gott“ apostrophiert, liegt, seitdem die Affäre im Oktober geplatzt war, in Scherben. Sein Bruder Bob drängte ihn aus der Produktionsfirma Weinstein Company, die mittlerweile Konkurs angemeldet hat. Seine Frau, die britische Modedesignerin Georgina Chapman, ließ sich von ihm scheiden. Und die Oscar-Akademie hat den einst einfluss- und erfolgreichsten „Mover & Shaker“ Hollywoods, der glamouröse Partys schmiss, ausgeschlossen.

Weinsteins Name wurde zum Synonym für brachiale sexuelle Übergriffe. Die Schauspielerin Ashley Judd, die die Enthüllung in der „New York Times“ mitinitiiert hatte, verklagte ihn jüngst. Den Journalisten brachte der Coup den renommierten Pulitzerpreis ein, und die Reporterinnen Jodi Kantor und Megan Twohey verkauften die Filmrechte – hier schließt sich der Kreis – an ein Hollywood-Studio.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2018)

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