Tschauner-Bühne: „Im besten Sinne Volkstheater“

Lucy McEvil (l.) und Spielleiterin Petra Kreuzer laden ins „Hotel Tschauner“.
Lucy McEvil (l.) und Spielleiterin Petra Kreuzer laden ins „Hotel Tschauner“.(c) Daniel Novotny
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Das „Hotel Tschauner“ rund um Lucy McEvil soll Stegreif in die Jetzt-Zeit heben. Derweil hoffen die Betreiber der Bühne, Weltkulturerbe zu werden.

Über allem wacht, als kleiner Gag, die alte Frau Tschauner: Mit strengem Blick hängt ihr Bildnis an der Wand des Hotels. Dessen Besitzerin ist eben verblichen und hat ihre heruntergekommene Wiener Herberge einer entfernten, queeren (!) Großnichte vermacht. Kein Wunder, dass die konservative, niederösterreichische Verwandtschaft schäumt...

Das sind im Groben die tragenden Säulen des neuen Stücks der Tschauner-Bühne, das heute Abend ebendort, am Fuß des Ottakringer Wilhelminenbergs, Premiere feiert. In Zeiten, in denen anderswo der Retro-Charme bemüht wird, ist die Freiluftbühne ein Original. Ein Relikt des Alten Wien, das es – als einziges Stegreiftheater Europas – irgendwie in die Gegenwart geschafft hat. Für Monika Erb, die „den Tschauner“ vor zwei Saisonen übernommen hat, ist das freilich nicht genug. Ähnlich, wie es beim Wienerlied gelungen ist, würde Erb gern für eine Neuinterpretation sorgen.

Schauspielerin Petra Kreuzer, die seit fast 20 Jahren auf der Tschauner-Bühne spielt, hat die Aufgabe übernommen, ein neues Stegreif-Ensemble zu suchen, „um die Kunstform in die Jetzt-Zeit zu transferieren“. Schon im Vorjahr habe man mit diesem Prozess begonnen, unter anderem mit dem Grazer Theater im Bahnhof, den English Lovers und anderen Impro-Theaterleuten Workshops abgehalten, die gleichzeitig als Vorsprechen dienten. „Aus diesem Pool haben wir das Ensemble zusammengesucht. Leute, die selber kreativ sind, viel Eigeninitiative haben, um das Stück und die Figuren gemeinsam zu entwickeln.“

Schauspiel ohne Netz

So entstand das „Hotel Tschauner“, das Lucy McEvil als neue Erbin übernimmt. Stegreif ist für sie zwar neu, „aber Moderieren ist auch nicht viel anders“. Auf schnelle Reaktionen komme es eben an, und auf viel Gespür, „damit nicht zehn Leute durcheinander reden“. Stegreif, das sei wie „Arbeiten ohne Netz, man ist dauernd wachsam, weil unvorhergesehene Sachen passieren können und sollen.“ Routine verhindern schon die wechselnden Gäste, die je einen Abend dazu stoßen, darunter Eva Maria Marold, Verena Scheitz, Faris Rahoma aus den „Migrantigen“ oder das Duo Radeschnig.

Auch das – ungewöhnlich große – Ensemble ist bewusst bunt, reicht von Kabarettistin Eva D. bis hin zu Karim Rahoma. Schließlich will Erb mit der neuen Schiene „Stegreif 2.0“ mit anderen, moderneren Stereotypen spielen, als es in der klassischen Stegreif-Komödie der Fall ist, wo, als Beispiel, der Polizist immer der Trottel ist. „Das aufzubrechen“, sagt Erb, „ist mir total wichtig.“ Man wolle „ein bisschen weg vom Schenkelklopferhumor“ – und damit nicht zuletzt auch ein neues Publikum ansprechen.

Wie beim Stegreiftheater üblich, gibt es eine festgelegte Grundgeschichte, der Rest ist improvisiert. Kreuzer selbst gibt ein Zimmermädchen, das eigentlich eine arbeitslose Schauspielerin ist, die irgendwie über die Runden kommen muss – und schaut als Spielleiterin darauf, „dass alle zusammen hält“. Natürlich beschäftige sie sich vorher viel mit ihrer Figur und dem, was sie sagen könnte, „aber ob man das umsetzen kann, ist eine ganz andere Frage“. Oder wie es Lucy McEvil mit einer Fußball-Analogie erklärt: „Es kann sein, dass der Pass halt einfach nicht kommt.“

Und auch wenn Pointen natürlich das Ziel sind, dürfe man sich um Himmels willen nicht bewusst vornehmen, lustig zu sein. „Dann wird's artifiziell. Das ergibt sich alles aus der Situation, da muss man einfach schlagfertig sein.“ Wenn das gelingt, findet die Künstlerin, die selbst nicht unweit der Tschauner-Bühne in einem Penzinger Schrebergarten wohnt, „dann ist Stegreif im besten Sinne Volkstheater“.

Um das zu pflegen, hat die Bühne nun auch um den Status des immateriellen Kulturerbes angesucht. Eine der Bedingungen dafür ist, dass die Tradition weiterlebt – Stücke wie „Hotel Tschauner“ sollen dafür sorgen. Inzwischen hat die Unesco-Kommission drei Mal Details eingeholt, musste die Fan-Base der Bühne ihr Interesse per Unterschrift bekunden. Erb stimmt das hoffnungsfroh – auf dass die Bühne 2019 nicht nur ihr 110-Jahr-Jubiläum feiere, sondern die Verleihung des Kulturerbestatus gleich mit.

Auf einen Blick

Die Tschauner-Bühne wurde 1909 von Gustav Tschauner gegründet und nach seinem Tod von seiner Frau Karoline weitergeführt, ab 1959 am heutigen Standort in der Maroltingergasse. 1987 wurde die Bühne von Basis-Kultur-Wien übernommen, deren Geschäftsführerin Monika Erb leitet auch die Tschauner Bühne. Mit der neuen Schiene „Stegreif 2.0“ soll die Theatertradition neu interpretiert werden. „Hotel Tschauner“ mit Lucy McEvil hat heute Abend Premiere. Weitere Termine, auch für Stegreif Klassik, Kabarett, Musicals u. a.: www.tschauner.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2018)

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