Satirekollektiv Hydra: Bizarre Satire und Fake News

Die Hydra hat viele Köpfe, nicht alle sind sichtbar: Marietheres Potucek, dahinter Bibi Ka.
Die Hydra hat viele Köpfe, nicht alle sind sichtbar: Marietheres Potucek, dahinter Bibi Ka.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Kollektiv Hydra widmet sich im jüngsten Buch den Verschwörungen und Fake News. Über Satire ohne Pimmelwitze und Spott als Katalysator.

Sojamilch stammt aus Zitzen japanischer Sumoringer, Zeitreisen sind schon lange möglich, nur nicht ins Mittelalter, davon wurden bekanntlich 300 Jahre erfunden. Und die Sache mit den Chemtrails und der Mondlandung – weiß mittlerweile jedes Kind. Erstere manipulieren uns, Zweitere ist erfunden.

Wer das glaubt, ist ihnen vielleicht schon verfallen. Verschwörungstheorien, falsche News, und überhaupt, wer weiß denn noch, was stimmt? Verschwörungen und Fake-News-Debatten sind überall, und wenn man glaubt, sie sind schon so absurd, das man sich nicht einmal mehr lustig machen kann, kommen die Satiriker von Hydra mit ihrem neuen Buch: „Verschwört euch! How to Fake News“.

Denn „der verschwörungstheoretische Diskurs lag auf der Hand“, sagt Bibi Ka. Bibi Ka ist derzeit so etwas wie der führende Kopf der Hydra. Auch, wenn dieser Kopf erst einmal im Hintergrund bleibt – Bibi Ka ist Juristin, da ist zu viel öffentliche Satire nicht gefragt. Und „die Hydra hat viele Köpfe“, sagt Bibi Ka, einzelne wollen sich nicht unbedingt als Chefsatiriker hervortun.

Wer ist Hydra? Die Hydra ist ein Satirekollektiv, das in Wien nun seit gut zehn Jahren aktiv ist. Aktuell bestehe Hydra aus einem Kernteam von zehn Leuten, ein „nerdiges Projekt“, ein Kulturverein, ein Flohzirkus, eine Manufaktur für Kontraproduktion, so beschreiben sich die Satiriker selbst, die in den vergangenen Jahren mit Büchern, Aktionen, Stadtführungen oder Lesungen aufgefallen sind.

Bekannt wurde die Truppe vor allem durch ihre Aushängeschilder: Max Zirkowitsch („Bezirkowitsch“) ist immer noch „ideologisches Zentrum“ und „bringt den Glamourfaktor“. Oder die Gebrüder Moped, die in den Anfangsjahren auch dabei waren. Die meisten der Hydra-Schreiber halten sich eher im Hintergrund, schreiben unter Pseudonymen – es sind Familienväter, Sozialarbeiter, Medienleute, viele Juristen –, nur bei den Auftritten bekommt man dann die Leute hinter den Pseudonymen zu Gesucht.

Dass mit Bibi Ka und Marietheres Potucek auch Frauen in der ersten Reihe stehen, ist übrigens rar. In der Welt der Satire driften Frauen zu gern in Richtung Poetry Slam ab, beschränken sich oft auf Witzemachen über Geschlechter und Klischees. Bei Hydra wächst und variiert die Truppe je nach Projekten – und es beteiligen sich auch Gastautoren. Für das aktuelle Buch konnte beispielsweise Wiens früherer Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg gewonnen werden, der sich in einem Beitrag den Anschlägen vom 11. September, den Theorien um eine Beteiligung des israelischen Gemeindienstes daran (oder der Mitwisserschaft seiner eigenen Frau) widmet.

Es geht im neuen Buch nun also um Verschwörungstheorien: Schließlich sieht sich Hydra auch als medienkritisches Projekt, so findet man im Buch Anleitungen, um herauszufinden, wie man vom Internet überwacht wird und wie man Fake News erkennt, und bei Bedarf gibt es einen eigenen Generator für Verschwörungstheorien. Für Bibi Ka und Marietheres Potucek ist die Satire ein Weg, mit den Dingen, „die man andauernd liest, aber die man nicht gut aushält“ umzugehen. Satire quasi als Katalysator, als „Verdauungstrakt“.

„Spott ist manchmal der einzige Ausdruck für Kritik“, sagt Bibi. Die Bücher seien kleine „Protestwerkl, aber auch Protest gegen uns selbst“: „Das alles ist immer auch Kritik an uns selbst, an unserem eigenen, eitlen Zugang zur Sache.“ Um damit, mit den großen Themen und dem Sendungsbewusstsein, zu brechen, gibt es dann auch Klamauk. Eine Wasserspritzpistolen-Schlacht auf der Kärntner Straße zum Beispiel, die auch heuer wieder stattfinden soll.

„Penis und Hitler wären zu billig“

Meistens aber setzen die Satiriker auf die Themen der Zeit: Wie schon mit ihrem wohl bekanntesten Projekt, dem Buch „How to be Österreich“, dem satirischen Integrationsguide, der vor zwei Jahren erschienen ist. Oder dem Wien-Reiseführer „Wien, wie es wirklich scheint“ – dazu passen auch die aktionistischen Stadtführungen, die „Bru Bru Tours“, die im Herbst wieder stattfinden sollen.

Bei allem, was die Satiriker machen, Klamauk soll es (meistens) nicht sein – „Das, was am meisten geht, sind Pimmelwitze oder Witze über Minderheiten. Aber wir wollen uns nicht auf die Bühne stellen und Penis und Hitler sagen, das wäre zu billig. Es soll kein Klamauk, auch keine Polit-Satire sein, es geht um die leisen Zwischentöne“, sagt Bibi Ka. Nachsatz: „Obwohl Penis und Hitler auch Platz haben.“

Info

Hydra ist ein Satirekollektiv, ein, so die Eigendefinition, Kulturverein, Flohzirkus, eine „Manufaktur für Kontraprodukte“. Die Gruppe hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht. Das jüngste, „Verschwört Euch! How to Fake News“ (181 Seiten, 19 Euro) ist im Milena-Verlag erschienen.

Live lesen die Satiriker demnächst (in einer Art Performance-Lesung) daraus: Zum Beispiel heute, Samstag, beim Festival Rave Against in der Arena oder am 25. August beim Gürtel Nightwalk.

Infos und Termine:http://hydrazine.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2018)

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