Heinz Böhme: Der Sammler einer Generation

Der Sammler und Museumsgründer Heinz R. Böhme vor einem 1938 entstandenen Bild von Karl Tratt.
Der Sammler und Museumsgründer Heinz R. Böhme vor einem 1938 entstandenen Bild von Karl Tratt.(c) Herbert Rohrer/Wild+Team
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Heinz Böhme hat Bilder von Künstlern zusammengetragen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, und ihnen in Salzburg ein Museum eingerichtet.

Der Katalog lag schon im Papierkorb – wie viele andere Broschüren und Bücher, die Heinz Böhme in den 1980er-Jahren gesammelt und dann irgendwann beim Ausmustern entsorgt hatte. Doch dann fischte der Arzt den roten Katalog noch einmal aus dem Müll – und blätterte darin. Er zeigte eingeklebte Bilder von Ludwig Jonas, einem längst vergessenen Maler.

Die Lebensgeschichte des Künstlers begann Böhme zu interessieren: Ludwig Jonas war in Bromberg geboren, hatte in München sein Medizinstudium abgebrochen, um nach Berlin zu gehen und sich der Malerei zu widmen. In den 1920er-Jahren zählte er in Berlin zu den bedeutendsten Impressionisten. Als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, emigrierte Jonas nach Frankreich, 1935 ließ er sich in Israel nieder, wo er 1942 starb. Sein Werk geriet in Vergessenheit.

„Ludwig Jonas war für mich der zündende Funke“, erzählt Böhme und zeigt auf die Bilder in dem kleinen, liebevoll eingerichteten Raum seines Privatmuseums in der Sigmund-Haffner-Gasse in Salzburg. Böhme begann, sich auf die Suche zu machen. Alle Bilder, die damals im Katalog abgebildet waren, hat er zusammengetragen und zeigt sie nun den Besuchern.

So wie Ludwig Jonas erging es vielen Künstlern dieser Zeit. Sie hatten in den 1920er- und 1930er-Jahren bei so berühmten Lehrern wie Max Beckmann, Lovis Corinth, Paul Klee oder Oskar Kokoschka studiert und eine gewisse Bekanntheit erlangt. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten war der Bruch in ihrem Leben – sie verloren ihre Arbeit, ihre Anerkennung und ihr Werk. Böhme hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bilder dieser „verlorenen Generation“ wieder aufzuspüren.

„Diese Künstler sammelt keiner“

Seit den 1980er-Jahren sucht er bei Galeristen, Altwarenhändlern, auf Flohmärkten oder über Nachlässe die Werke und trägt sie zusammen. Es sind Bilder von Hanna Bekker vom Rath, Willy Eisenschitz, Augusta von Zitzewitz, Heinrich Esser oder Karl Tratt. „Die Namen kennt kaum jemand, die sammelt niemand“, erzählt der Salzburger Museumsgründer.

„Da braucht man dann auch kein dickes Portemonnaie.“ Irgendwann entstand der Wunsch, diese vielen Bilder nicht einfach nur zu sammeln, sondern sie auch zu zeigen. Böhme, der in München Internist gewesen war und sich danach in Salzburg niederließ, gründete einen Verein. Er suchte nach Räumlichkeiten, um ein privates Museum einzurichten.

In der Sigmund-Haffner-Gasse wurde er schließlich fündig. Er konnte jene Räume anmieten, in denen früher lang die Galerie 5020 untergebracht war. Im Oktober 2017 erfüllte sich sein Herzensprojekt: Böhme eröffnete „seinen“ Künstlern ein Museum. Seither führt er Besucher an den Öffnungstagen persönlich durch die Räume und erzählt die Geschichten der Bilder. Denn diese Geschichten sind dem Sammler ebenso wichtig wie die Gemälde selbst.

Sowohl die Sammlung als auch das Museum finanziert Böhme ausschließlich aus eigenen Mitteln. Das Museum hat er mit Möbeln und Vorhängen ein bisschen wie ein Wohnzimmer eingerichtet. Dahinter steckt die Idee, den vertriebenen Künstlerinnen und Künstlern eine neue Heimat zu geben. Sein größter Wunsch ist, dass die Werke, die er in den vielen Jahren akribisch zusammengetragen hat, nicht mehr auseinandergerissen werden. Um das zu gewährleisten, gründet er gerade eine gemeinnützige Stiftung – und sammelt weiter die Bilder der verlorenen Generation. Derzeit hat er noch rund 50 Gemälde beim Restaurator. Da könnte es bald eng werden im Museum.

Zur Person

Heinz R. Böhme ist leidenschaftlicher Sammler. Seit mehreren Jahrzehnten konzentriert er sich dabei auf Ölgemälde, die von Künstlern stammen, die in der Zeit des Nationalsozialismus als „entartet“ verfemt wurden und deren Werk deshalb in Vergessenheit geraten ist. Das Museum der Verlorenen Generation in der Sigmund-Haffner-Gasse in Salzburg ist donnerstags und freitags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen zum Museum gibt es online unter verlorene-generation.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2018)

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