Anna Mendelssohn: Der innere und äußere Klimawandel

Anna Mendelssohns Stücke handeln vom Dialog
Anna Mendelssohns Stücke handeln vom DialogDaniel Novotny
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Performance. Mit ihrem Stück „Cry Me A River“ tritt die Künstlerin Anna Mendelssohn zwar mit einem Monolog, aber mit vielen Stimmen auf. Ihr Werk zeigt dem Publikum die kleinen und großen Seiten des Umweltthemas.

Anna Mendelssohn wird viel weinen. Das hat unter anderem mit den Gletschern zu tun, den realen Gletschern auf den Bergspitzen, die der Klimawandel langsam dezimiert, und dem inneren Gletscher, der ebenfalls dahinschmilzt. Der innere Eisberg ist für Mendelssohn eine Analogie für schwierige Zeiten, für Krisen und Depressionen, Zeiten, „in denen man emotional auf Eis geht“. „Cry Me A River“ heißt denn auch folgerichtig das Stück der Performerin, das sie am heutigen Dienstag im Elisabeth-Herz-Kremenak-Saal, bei der Eröffnung der Alpbacher Wirtschaftsgespräche, zeigen wird.

Die Künstlerin hat ein wortgewaltiges Stück über den Klimawandel verfasst, es ist ein Monolog, ohne jedoch eine einzige Stimme zu repräsentieren. Vielmehr hat Mendelssohn Töne, Thesen und Kontroversen zum Klimawandel intensiv gesammelt und wirft sie nun assoziativ in den Raum. „Es ist ambivalent“, sagt sie, „das Stück gibt viel Gesprächsstoff her.“ An „Cry Me A River“ als Darstellung des äußeren und inneren Klimawandels arbeitete Mendelssohn ab dem Jahr 2008, zu einer Zeit, als das Umweltthema nicht flächendeckend diskutiert worden sei. „Im Radio habe ich davon gehört. Ich habe überhaupt nicht verstanden, was da eigentlich genau passiert.“ Gleichzeitig ging die Künstlerin durch eine persönliche Krise, weinte viel. So hat sich schließlich der Kreis geschlossen.

Seit der Premiere 2010 zeigte Mendelssohn das Stück bereits auf mehr als 60 nationalen und internationalen Bühnen. Der Auftritt in Alpbach werde deswegen interessant, „weil hier doch viele Leute sind, die nicht oft mit so einer Aufbereitung dieses Themas konfrontiert werden.“ Bislang bestand ihr Publikum aus Menschen, die sich ohnehin mit diesem Thema beschäftigten, die ihr kaum widersprochen haben. Ob sie sich vorstellen könne, vor Klimawandel-Leugnern aufzutreten? „Sofort.“
Wie die inneren und äußeren Kämpfe ist das Stück auch eine Darstellung der Ambivalenz und Verschränkung der großen und kleinen Schritte, die Menschen gegen den Klimawandel setzen oder nicht setzen. Im Kleinen, erzählt sie, wisse man ja, was man tun muss, um zum Beispiel gesund zu bleiben oder abzunehmen. Rad fahren, wenige fette Gerichte essen.

„Dann gibt es die großen Themen da draußen, und man hat das Gefühl, man kann gar nichts tun.“ Dabei führt ja das Kleine zum Großen.
Das beginnt bisweilen bei der Frage: Soll ich fliegen oder kann ich Zug fahren, um die Umwelt zu schonen? Mendelssohn hat für sich beschlossen, möglichst auf die Fliegerei zu verzichten. Bisweilen kam sie in die paradoxe Situation, zu einem Klimagipfel zu fliegen. „Ein Widerspruch. Andererseits sind die Konferenzen ja notwendig.“

Wenn Rechte linke Themen besetzen

Das Assoziative in ihrem Wirken haben Mendelssohn gewissermaßen ihre Eltern mitgegeben: Der Vater Psychoanalytiker, die Mutter Schauspielerin: „Ich habe beides kombiniert“. Zunächst studierte sie Psychologie, anschließend Schauspielerei in Großbritannien. Seit 15 Jahren wirkt Mendelssohn in der Theatergruppe Toxic Dreams mit, dessen Leiter, Yosi Wanunu, „Cry Me A River“ auch mitgestrickt hat.
Ganz gleich, welche Themen Mendelssohn in ihre Stücke verwebt, die Meta-Ebene ist und bleibt der Dialog. Wie reden Menschen miteinander (zum Beispiel über den Klimawandel)? Wie übereinander?

Derzeit werkelt sie an einem Stück über Meinungsfreiheit und Wahrheit, da spielt Trump genau so hinein, wie die sogenannten alternativen Fakten. „Die Rechten haben linke Themen für sich in Beschlag genommen“, resümiert Mendelssohn. Die Redefreiheit war schließlich eine eindringliche Forderung von Links, heute aber sei vom rechten Spektrum zu hören: „Wir möchten sagen können, was wir sagen wollen!“ – während die Linke darauf verweist, dass man eben doch nicht alles sagen dürfe. Political Correctness! Wer hat also recht? Und wer hat die Wahrheit? Gute Fragen für die Kunst also, aber nicht nur für sie.

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