Mein Papa, Steve Jobs

Lisa Brennan-Jobs, geboren 1978, lebt heute mit ihrem Sohn, zwei Stiefkindern und ihrem Mann in Brooklyn.
Lisa Brennan-Jobs, geboren 1978, lebt heute mit ihrem Sohn, zwei Stiefkindern und ihrem Mann in Brooklyn. (c) Brigitte Lacombe
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Man kennt ihre Geschichte, nun erzählt die Tochter des Apple-Gründers sie erstmals selbst.

Im Mai wurde Lisa Brennan-Jobs 40 Jahre alt, und sie hat wohl schon eine Weile davor beschlossen, dass dies das richtige Alter sei, um ihre Geschichte endlich selbst zu erzählen. So oft war sie schon von anderen erzählt worden – in Dokus, Spielfilmen und Büchern über ihren Vater, den 2011 verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs. Und die Eckdaten dieser Tochter-Vater-Beziehung werden immer ziemlich ähnlich erzählt. Steve Jobs und Chrisann Brennan waren seit der Highschool ein junges Paar mit guten und schlechten Phasen. Nach einer Trennung kamen sie, beide 23 Jahre alt, wieder zusammen, und Chrisann wurde ungeplant schwanger, Steves Garagenfirma Apple war da noch keine zwei Jahre alt. Jobs bestritt aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Vaterschaft und zahlte zunächst keinen Unterhalt.

Fünf Jahre später taufte er den ersten Personal Computer von Apple auf den Namen Lisa – und log doch später seiner Erstgeborenen ins Gesicht, er habe den Computer nicht nach ihr benannt. Sie sollte dadurch lernen, sich nie auf seinen Windschatten zu verlassen. Nach einem Streit stellte er später die finanzielle Unterstützung ein, da war Lisa bereits auf der Uni. Und noch ein paar Jahre später, als Jobs schon sehr krank und körperlich geschwächt war und ihn seine Tochter in seinem Haus besuchte, begrüßte er sie mit den Worten: „Du riechst nach Klo.“

Es fällt schwer, diesen unsensiblen, genialen Mann zu verstehen oder zu mögen. Lisa Brennan-Jobs hat ihrem Vater vor langer Zeit verziehen, nun will sie mit ihrem Buch, wie die „New York Times“ treffend bemerkte, dass auch die Welt ihm verzeiht. Ein ziemlich schwieriges Unterfangen.

Frieden geschlossen. „Small Fry“ heißt ihre Geschichte, was direkt übersetzt so viel wie „Junges Gemüse“ bedeutet, vom deutschen Verlag aber den Titel „Beifang“ bekam. Das Buch liest sich streckenweise wie ein Roman. Und man hat tatsächlich den Eindruck, dass die junge Frau, die heute selbst als Mutter und Stiefmutter in New York lebt, ihren Frieden mit ihrem Vater geschlossen hat. Bisher mied sie die Öffentlichkeit, abgesehen von den eingangs geschilderten Eckdaten ihres Lebens und der Tatsache, dass sie zehn Millionen Dollar von ihrem Vater geerbt hatte, war wenig über sie bekannt.

In den Wochen vor der Buchveröffentlichung am 4. September gab sie aber mehrere Interviews. Plötzlich hatte sie Angst, dass ihr schonungsloses, aber liebevolles Buch über ihren Vater in der Öffentlichkeit nicht besonders gut ankommen würde. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie die großherzigen, lustigen Seiten ihres Vaters nicht ausreichend transportiert hatte. Dabei ist ihr eines durchaus gelungen: Sie hat endlich eine Stimme bekommen. In fast jeder Publikation über ihren Vater kam sie schlecht weg. Am schlimmsten in Walter Isaacsons Biografie über Jobs, die ganz kurz nach dem Krebstod des Apple-Gründers 2011 erschienen ist. Kurz danach begann sie denn auch, an ihrer Geschichte zu schreiben.

Reise in die Vergangenheit. Sie fuhr ins Silicon Valley, interviewte ihre Mutter, Freunde und Expartner ihrer Eltern. Anders als ihr Vater sind diese noch am Leben, der „New York Times“-Redakteurin verriet Lisa im Interview: „Ich hoffe, Thanksgiving wird okay, obwohl ich dieses Buch veröffentlicht habe.“ Steve Jobs Witwe, Laurene Powell Jobs, und ihre gemeinsamen Kinder gaben in einem Statement bekannt, dass das Buch sie „sehr traurig“ gestimmt habe, weil sie komplett andere Erinnerungen an die Zeit hätten.

Das Buch ist mehr als die Erinnerungen einer Tochter eines sehr berühmten und erfolgreichen Manns. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Vater-Tochter-Beziehung und die einer ziemlich starken jungen Frau und ihrer starken Mutter. Für diese war das Buch der Tochter zwar „schrecklich zu lesen“, wie sie selbst in einem Interview sagte. „Aber sie hat es genau richtig gemacht.“

Das Buch

Lisa Brennan-Jobs: „Beifang - Eine Kindheit wie ein Roman“ übersetzt von Bettina Abarbanell, Piper-Verlag, 382 S.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2018)

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