Latifa Nabizada: Pilotin, Flüchtling, Autorin

(c) Mirjam Reither
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Latifa Nabizada war einmal Afghanistans erste Militärpilotin. Mittlerweile ist sie in Wien gelandet, tourt mit ihrem Buch und will Frauen Mut machen.

Latifa Nabizada träumt vom Fliegen. Das hat sie schon immer getan. Als Kind, als sie mit ihrer Schwester die Vögel über Kabul beobachtet hat, und heute, in Wien, träumt sie jede Nacht von den Einsätzen mit ihrer Schwester als Pilotin gegen die Taliban. Dazwischen liegt eine lange Geschichte: die der ersten afghanischen Militärpilotin, die heute als Autorin und Asylberechtigte in Wien lebt. Sie hat ihre Geschichte in ihrem Buch „Greif nach den Sternen, Schwester“ verarbeitet, und will damit, und mit regelmäßigen Lesungen und Diskussionen dazu, Frauen Mut machen. Vor allem den Frauen, denen man wie ihr gern erzählt, was alles nicht geht.

Denn das, sagt sie heute, war für sie immer Antrieb. 1970 in Kabul geboren, bewarb sie sich mit 17 Jahren gemeinsam mit ihrer Schwester als Pilotin bei der Militärakademie. Als die Ausbildung begann, waren sie dort die ersten Frauen. Und allem Widerstand zum Trotz wurde Latifa Nabizada Hubschrauberpilotin und flog vor allem Hilfsmissionen gegen die Taliban im Bürgerkrieg. Wegen ihres Jobs wurde sie von den Taliban attackiert, auch deshalb wechselte sie ins Verteidigungsministerium, wurde Direktorin der Menschenrechtsabteilung. Sie engagierte sich für Frauen – machte sich so wieder viele Feinde und musste schließlich das Land verlassen. 2015 kam sie letztendlich gemeinsam mit ihrer Tochter als Stipendiatin des Projekts Writers in Exile nach Österreich, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Seit Juni 2017 haben die beiden Asylstatus und führen ein völlig anderes Leben.

Die Fliegerei ist weit weg, der Alltag bewegt sich nun zwischen Schule und Deutschkurs – aktuell lernt Nabizada auf B2-Niveau –, zwischen Kontakt mit der Familie, die in Afghanistan lebt, und dem Fokus auf ihr neues Leben. „Es ist nicht einfach, in einem neuen Leben anzukommen, hier ist alles neu und anders, aber ich muss mich auf das Hier fokussieren. Ich kann nicht zwei Leben kombinieren, dann verliere ich ein Leben. Aber es ist nicht einfach, alles was war zu vergessen.“ Das, was war, hat Nabizada in ihrem Buch festgehalten, das für viel Aufsehen gesorgt hat, seit es auf Deutsch erschienen ist. Latifa Nabizada reist nach wie vor regelmäßig zu Veranstaltungen, um daraus zu lesen, kürzlich etwa in Wien im Integrationszentrum Core, demnächst, am 9. November, gibt es eine Lesung in der Steiermark. Es sind vor allem Frauen, die kommen, sagt sie. Auch viele afghanische Frauen. „Ich will ihnen zeigen, dass es trotz aller Widerstände und trotz der Diskriminierung als Frau möglich ist, sein Ziel zu erreichen.“

Astronautin statt Pilotin

Derzeit arbeitet Latifa Nabizada an der Übersetzung in ihre Muttersprache Dari. Parallel dazu entsteht schon das nächste Buch, das den Titel „Auf der Suche nach Liebe“ tragen soll. Es soll um afghanische Frauen gehen, um deren Rolle und ihre Kämpfe, um das Verhältnis der Geschlechter und die Emanzipation davon. Schließlich stoße sie, die als Frau in Afghanistan scheinbar Unmögliches geschafft hat, da auf viel Resonanz. „Mein Ziel ist es, immer lebendig zu bleiben, immer weiterzumachen und anderen Frauen Mut zu machen“, sagt sie, und spricht davon, dass es nicht leicht sei, die Vergangenheit zu vergessen. Das Fliegen, die Zeit als Pilotin, kehre jede Nacht in ihren Träumen wieder.

Und den Traum vom Fliegen, wenn auch ganz anders, hat sie offenbar weitergegeben. Ihre Tochter, heute zwölf Jahre alt, träumt ebenso davon. „Sie will noch höher hinaus als ihre Mutter“, sagt Nabizada. „Sie will die erste afghanische Astronautin werden.“

Zur Person

Latifa Nabizada, 1970 in Kabul geboren, hat sich trotz schwieriger Umstände ihren Traum erfüllt, Hubschrauberpilotin zu werden. Sie war damit eine der ersten Pilotinnen Afghanistans. Wegen ihres Jobs wurde sie von den Taliban attackiert und musste das Land verlassen, seit 2015 lebt sie mit ihrer Tochter in Österreich. Ihre Erfahrungen hat sie in dem Buch „Greif nach den Sternen, Schwester! Mein Kampf gegen die Taliban“ festgehalten. Aktuell arbeitet sie an einer Übersetzung in Dari und an einem weiteren Buch. Latifa Nabizada liest regelmäßig aus ihrem Buch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2018)

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