Clownfestival: Gegen den Zwang zur Perfektion

Verena Vondrak und Hubertus Zorell stehen beim heutigen Auftakt des Clownfestivals als Donna und Ferdinand auf der Bühne.
Verena Vondrak und Hubertus Zorell stehen beim heutigen Auftakt des Clownfestivals als Donna und Ferdinand auf der Bühne. (c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Heute startet in Wien das Clownfestival. Verena Vondrak und Hubertus Zorell über diese Kunstform. Und darüber, warum sie so gut in unsere Zeit passt.

Deine Nase liegt noch hinten“, sagt Verena Vondrak zu ihrem Mann, Hubertus Zorell, der gerade in das Kellerlokal im dritten Bezirk gekommen ist, in dem sich das Theater Olé befindet. Wobei die beiden ihre Gumminasen nur ausnahmsweise kurz aufsetzen: Denn das Utensil ist eigentlich den Clownfiguren vorbehalten, die sie auf der Bühne spielen: Ferdinand und Donna. Und diese sind erst heute Abend wieder dran, wenn das Clownfestival startet.

Mit dem Festival – das Vondrak und Zorell gemeinsam mit ihrer Kollegin Marion Scholz leiten – wird auch gefeiert, dass es mit dem Theater Olé in Wien seit inzwischen zehn Jahren eine (kleine) Spielstätte gibt, die auf Clownerie spezialisiert ist. Und die ist viel mehr als brutale Tollpatschigkeit in viel zu großen Schuhen, die manche im ersten Moment mit dem Begriff Clown assoziieren. „Wir arbeiten nicht mit dem Holzhammer“, erklärt Zorell. „Zum Clown gehört viel Sensibilität.“

Die beiden beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten mit der Kunstform. Beide haben – er ein bisschen früher, sie ein bisschen später – die berühmte Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris besucht. Vondrak (57), die seit mehr als 20 Jahren Spitalsclown ist, kam nach einem Schicksalsschlag darauf, sich mit Clownerie zu befassen, Zorell (67) war unzufrieden mit der damaligen klassischen Theaterarbeit. „Ich wollte damals eigentlich Bewegungstheater machen“, erzählt er. „Und dann hat mich die Clownerie gepackt und nicht mehr losgelassen.“

Spannend am Clownsein sei unter anderem, dass es auch viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun habe, wie der Clown sei, wovor er Angst habe, wie er auf bestimmte Dinge reagiere – vielleicht mehr, als wenn ein Schauspieler in eine klassische Rolle schlüpft. „Der Ferdinand ist zum Beispiel einer, der denkt, er sei großartig. Er denkt, er sei ein super Witzeerzähler, ein toller Pantomim“, sagt Zorell über seine eigene Clownpersönlichkeit und lacht. „Dabei ist er ganz schlecht.“

Chaplin ist der perfekte Clown

Neben einer gewissen Naivität ist dem Clown das Scheitern sozusagen inhärent. Er will die Sachen gut machen – nur gelingt das eben nicht immer so einfach. Das sei einer der Gründe, warum Clownerie gut in die heutige Zeit passe. „Es gibt ein allgemeines Unbehagen, was den Erfolgszwang in der Gesellschaft und den Zwang zum Perfektionismus angeht“, sagt Zorell. „Die Leute spüren, dass die Clownerie in eine andere Richtung führt, dass sie den Trend zur immer perfekteren Perfektion konterkariert.“ Wobei Vondrak einwirft, dass Charlie Chaplin sicher ein Perfektionist gewesen ist.

„Der große Dikator“, Chaplins satirische Parodie auf den Faschismus aus dem Jahr 1940, ist in Zorells Augen „eine perfekte Clownerie“. Auch, weil es dabei eben nicht um irgendetwas Oberflächliches geht. „Er setzt sich mit etwas Ernstem auseinander, und er macht eine Geschichte daraus, über die man lachen kann“, sagt Zorell. „Das tun wir als Clowns: Wir setzen uns mit ernsten Sachen auseinander – nur eben mit unernsten Mitteln und mit unernsten Ergebnissen.“

Dass – apropos Politik – heute Politiker mitunter als Clown bezeichnet werden, ärgert die professionellen Clowns übrigens ein bisschen. „Nicht jeder Mensch, der sich blöd verhält, ist ein Clown“, sagt Zorell. „Ich schreibe dann immer Leserbriefe.“

AUF EINEN BLICK

Das Theater Olé im dritten Wiener Gemeindebezirk feiert sein zehnjähriges Bestehen mit einem Clownfestival. Es startet heute, Freitag. Bis 15. November treten insgesamt rund 40 Clowninnen und Clowns im Theater Olé, dem Theater Lilarum und dem Marx Palast auf. Dabei sind heimische Clowns wie auch internationale – etwa Hilary Chaplain aus New York oder Nola Rae aus London. Alle Informationen zum Programm online unter: clownfestivalwien.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2018)

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