Lidia Baich: Wenn die Geige vom See erzählt

Zwischen glamouröser Pose und Landleben: Geigerin Lidia Baich.
Zwischen glamouröser Pose und Landleben: Geigerin Lidia Baich. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Geigerin Lidia Baich über frühes Üben, ihre Hotel- und Flugzeug-Zeit, Naturerlebnisse und das Konzert, das sie heute Abend in der Staatsoper gibt.

Als die Anfrage zu einem Solistenkonzert kam, da, sagt Lidia Baich, habe sie sich „wahnsinnig gefreut“. Normalerweise ergeht diese Einladung der Staatsoper an Sänger, im diesem Fall aber an ein Duo und Ehepaar – Lidia Baich als Geigerin gemeinsam mit ihrem Mann, dem Tenor Andreas Schager.

Es ist – beinahe – das erste Mal, dass die bekannte Geigerin in der Staatsoper auf der Bühne steht. Mit Erwin Schrott ist sie hier schon einmal aufgetreten, in der „Fledermaus“ hatte Prinz Orlofsky sie sich als Gast eingeladen. Sie liebe die Wiener Oper schon von Kindheit an, sagt sie. Ob Stehplatz oder mit Restkarten, „ich habe hier zahllose Vorstellungen gesehen“.

Auch ihre frühesten Erinnerungen, wenngleich verschwommen, haben mit Opern- und Ballettbesuchen zu tun – da allerdings noch in St. Petersburg. Dort wurde Baich als Tochter eines österreichischen Cellisten und einer russischen Pianistin geboren. Ihre erste, kleine Geige hatte ihr noch der Großvater, selbst Stimmführer im Mariinski-Theater, geschenkt.

„Es hat mir gefallen, ihm zuzuhören, er hat mir ein bisschen was gezeigt, ich hab es ausprobiert, so ist es weitergegangen.“ Auch in Erinnerung geblieben ist ihr die Natur. „Die Winter waren ein großes Abenteuer, mit Eisbergen buchstäblich vor der Tür. Man hatte zehn Schichten Kleidung an, konnte sich fast nicht mehr bewegen, dafür war es warm.“ Aber auch die Weißen Nächte blitzen in ihrem Gedächtnis auf, oder ein von Kanälen durchzogener Park mit Eichhörnchen und Enten.

Starke Bande nach Russland

Nach Österreich kam Baich mit ihren Eltern freilich schon als Vierjährige. Mit ein Grund dafür, überlegt sie, seien wohl die Verhältnisse für Musiker in der damaligen Sowjetunion gewesen. Ihr Onkel, der Bruder ihrer Mutter, sei Konzertmeister des Bolschoi-Theaters gewesen, das zwar reisen durfte, „aber nur in Begleitung des KGB“. Von ihrem Großvater weiß sie, was für eine Unvorstellbarkeit Nurejews Flucht in den Westen Anfang der Sechziger gewesen war. Eine starke Verbindung zu Russland, ihren dort lebenden Verwandten spüre sie aber bis heute.

Anders als bei ihrem Mann Andreas Schager, der als Sänger fast ein Quereinsteiger ist, musste bei ihr als Geigerin die Berufswahl schon als Kind fallen. „Es ist eine Kunst, da den richtigen Zugang zu finden“, sagt sie. „Dass man als Kind versteht, dass die Geige kein Spielzeug ist, dass man Verantwortung hat und täglich üben muss.“ Aber man wachse hinein, mit der Musik, mit den Aufgaben. Anders sei eine Karriere wie die ihre auch nicht möglich. „Es muss einem in Fleisch und Blut übergehen, Teil des Körpers werden.“ Es dauere Jahre, über die Technik seines Instruments so Bescheid zu wissen, „dass man später nicht über jedes Detail nachdenken muss. Man muss frei sein.“

Heute, da sie eine Professur an der Musikuni hat, werde ihr erst bewusst, „wie viel für mich selbstverständlich ist und für andere nicht“. Dass das Üben manchmal gar nicht freut, sei völlig in Ordnung. „Man soll sich damit ja auseinandersetzen, keine Marionette sein.“ Sie selbst hatte schon mit acht ihren ersten internationalen Preis gewonnen, mit 16 siegte sie beim Eurovision Young Musicians-Wettbewerb, ab 18 bestand ihr Leben viele Jahre lang aus Flugzeugen und Hotels. Eine „sensationelle Erfahrung“, auch eine, bei der sie viel über sich gelernt habe, auch wenn vieles erst im Rückblick klar werde.

Dazu gehöre, dem eigenen Gefühl zu vertrauen. Aber auch zu wissen, „dass es sich eigentlich nie lohnt, sich über etwas zu ärgern“. Es seien auch Dankbarkeit und Demut, die einen glücklich machen. „Nur zu überlegen, was fehlt, bringt einen nicht weiter.“

Inzwischen hat sie das Reisen zurückgeschraubt. „Ich bin ein totaler Familienmensch. Es ist mir wichtig, Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Außerdem betrachte ich meine Arbeit gern aus der Distanz.“ Die Naturverbundenheit ist ihr geblieben. Einst Reiterin, später Falknerin, kann sie heute schwärmen von einem spontanen Ausflug an einem der letzten Wochenenden, „ein kleines Tal, goldfarbene Bäume, die sich im Wasser gespiegelt haben – als wäre es flüssiges Gold“. Von so etwas könne sie wochenlang zehren. „Und wenn man auf die Bühne geht, will man ja etwas erzählen. Dazu braucht man Bilder und Erlebnisse.“

Zur Person

Lidia Baich wurde 1981 im damaligen Leningrad geboren. Die Geigerin hat eine Professur an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Heute Abend bestreitet sie mit Andreas Schager einen Solistenabend in der Staatsoper, u. a. mit Wagners Wesendonk-Liedern, Prokofiev („Romeo und Julia“) und Beethoven („An die ferne Geliebte“, Karten noch erhältlich). Am 25. November spielt sie zum 70. Geburtstag von Boris Kuschnir im Musikverein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

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