August Zirner: Ein Amerikaner und Europäer

Schauspieler August Zirner
Schauspieler August ZirnerAPA (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

August Zirner wuchs als Sohn von Emigranten in Illinois auf. Über Anfänge als Hund, seine Großmutter Zwieback und seine neue, melancholische Komödie.

Mais, Sojabohnen, Sonnblumen. Alles flach. So muss man sich den amerikanischen „Corn Belt“ vorstellen, in dem August Zirner aufgewachsen ist. Viele europäische Flüchtlinge waren damals an der University of Illinois gelandet, Chemiker, Architekten. In der Nachbarschaft sprach man Deutsch, Weihnachten wurde mit der Familie des Physikers Heinz von Foerster gefeiert, der ihm ein „prägender geistiger Vater war“ und dessen Bruder Uzzi in Wien als Jazzkönig und Enfant terrible galt.

Zur Schauspielerei kam Zirner schon dort, über die Musik. Sein Vater hatte eine Opernschule, „ich war Kindersopran, hab als Allererstes einen Pagen in der ,Prinzessin auf der Erbse‘ gespielt.“ Dann den kleinen Harry in Brittens „Albert Herring“ oder den Hund im „Braven Soldaten Schwejk“. „Ich wollte immer auf der Bühne stehen und spielen. Insofern war der Hund vielleicht meine beste Rolle. Aber ich hab es dann doch zum Menschen geschafft.“

Und wie: In mehr als 130 Kino- und Fernsehfilmen hat er mitgewirkt, dazwischen aber auch immer wieder Theater gespielt. „Ich bin halt ein Theater- und Ensemblemensch.“ In Wien ist er derzeit in beiden Genres zu erleben. In den Kammerspielen in Daniel Glattauers „Vier Stern Stunden“ als grantiger Schriftsteller. Im Kino in Sandra Nettelbecks melancholischer Komödie „Was uns nicht umbringt“ als überempathischer Therapeut. Mit Nettelbeck hatte er schon „Bella Martha“ und den Kinderfilm „Sergeant Pepper“ gedreht, in beiden einen Therapeuten gespielt. Nun wird dieser zur Hauptfigur, zum Dreh- und Angelpunkt eines Ensemblefilms, bei dem man „nicht über die Figuren, sondern mit ihnen lacht“ (und ein bisschen über den schwermütigen Hund).

„Versuchte Auslöschung“

Nach Wien war Zirner mit 17 Jahren gekommen, fürs Schauspielstudium am Reinhardt-Seminar. Es gebe dafür nur eine Schule, hatte seine Mutter erklärt. Er selbst wäre gern nach New York gegangen, „aber es war mir zu groß, in Wien hatte ich zumindest eine Taufpatin“. Der Umstieg war hart, „ich war durch und durch Amerikaner“. Die ersten eineinhalb Jahre verbrachte er damit, Deutsch lesen zu lernen und „ansatzweise ein Selbstbewusstsein als Europäer zu entwickeln. Erst als ich mein erstes Camembertbrot gegessen hab, war ich halbwegs angekommen.“

Die Flucht vor den Nazis, sie war in seiner Familie „nur insofern Thema“ gewesen, „als das Gespräch vermieden wurde“. Erst als er mit 42 Jahren im Rabenhof den „Fall Furtwängler“ spielte, begann er „zu merken, dass der Holocaust mit meiner eigenen Familiengeschichte zu tun hat“. Heute weiß er, dass der Lieblingsbruder seiner Mutter in Mauthausen im Lauf eines Verhörs „zu Tode kam“. Auf die einstige Rolle seiner Großmutter haben ihn unter anderem Historiker aufmerksam gemacht. Ella Zwieback hatte das Modekaufhaus Zwieback an der Kärntner Straße geführt. Dazu gehörte auch jenes Kaffeehaus, in dem später das Nobelrestaurant Drei Husaren logierte. Seit einem Jahr betreibt hier die Konditorei Sluka ein Café. Über die Art der Renovierung zeigte sich Zirner rückblickend öffentlich enttäuscht. Bis heute werde „versuchte Auslöschung“ betrieben. Dem will er entgegenwirken, er plant die Geschichte seiner Großmutter als Buch.

Er ist schon bald nach dem Studium für ein erstes Engagement nach Deutschland gezogen, lebt am Chiemsee. Doch nicht zuletzt seine musikalischen Programme führen ihn immer wieder nach Österreich. „Der kleine Prinz“ hat sich aus einem Hörbuch ergeben; Zirner spricht die Figuren Saint-Exupérys, nur die „anempfohlene Moral“ habe er aus dem Text gestrichen. „Das überlassen wir der Musik“ – einem Kontrabass und der Querflöte, die er selbst spielt. Auch einen „Frankenstein“-Abend gibt es. Das Monster, das sei ja der Wissenschaftler Victor Frankenstein, „der sein Gewissen verschweigt, und dieses Verschweigen drücken wir musikalisch aus“.

Früher spielte Zirner auch Gitarre und Saxofon, interpretierte mit seiner Band in jungen Jahren Santana und Jethro Tull. Nur das Üben habe er gehasst. Heute hat er Lust darauf. „So wie andere meditieren oder Yoga machen, spiel ich halt allein im Hotelzimmer Flöte.“ Bis heute zieht es ihn jedes Jahr nach New York, in die Jazzlokale.

Im Jänner ist er im Radiokulturhaus noch mit einem anderen Programm zu Gast: Mit dem Kontrabassisten Sven Faller erzählt er „Transatlantische Geschichten“. Die beiden verbinde mehr, als man ahnt – und Großmütter spielen auch hier eine Rolle.

ZUR PERSON

August Zirner wurde 1956 in Urbana, Illinois, geboren. Er spielte in mehr als 130 Filmen, darunter Volker Schlöndorffs „Homo Faber“ oder Stefan Ruzowitzkys Oscarfilm „Die Fälscher“. Aktuell spielt er in der Kinokomödie „Was uns nicht umbringt“ und in den Kammerspielen in Glattauers „Vier Stern Stunden“, dazu am 25. Jänner im Radiokulturhaus mit Sven Faller „Transatlantische Geschichten“ und im Herbst 2019 „Der kleine Prinz“ im Musikverein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.