Elektronik und Kirchenmusik

Mario Wienerroither und Viktoria Winter sind die Dramas.
Mario Wienerroither und Viktoria Winter sind die Dramas.(c) Akos Burg
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Mario Wienerroither kennt man als Erfinder der musikfreien Musikvideos. Dabei macht er mit Viktoria Winter als Dramas auch tatsächlich Musik.

Britney Spears, deren roter Latexanzug bei jeder Bewegung quietscht. Lionel Richie, der mit „Hello“ verzweifelt Leute anzusprechen versucht. Oder David Bowie und Mick Jagger, die für sich allein durch stille Straßen tanzen, zu hören sind nur ihre Schritte und gelegentlich ein Tarzanschrei (was sogar David Bowie selbst zum Lachen gebracht haben soll).

Es sind Videos wie diese, mit denen Mario Wienerroither seit ein paar Jahren auf YouTube für Furore sorgt. „Musicless Musicvideos“ nennt er die Clips, bei denen er die Tonspur löscht und eine neue Geräuschkulisse bastelt. Begonnen hatte er damit, um als Sounddesigner seine Agentur zu bewerben. Seither musste Michael Jackson schon ebenso dran glauben wie Elvis Presley oder die Bee Gees, es gibt „Musicless Intros“ (zu Serien wie „MacGyver“) oder das Format des „Speechless Speech“: Wladimir Putin oder Donald Trump haben darin ebenso nichts zu sagen wie jüngst Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress.

Aber auch wenn Wienerroither die Musik gern einmal weglässt, so liebt er sie doch. Dramas nennt sich das gemeinsame Projekt mit Viktoria Winter, „Nothing Is Permanent“ das zugehörige, vor zwei Monaten erschienene Debüt. Art Pop, meinen die beiden, ließe sich das am ehesten nennen. Elektronisch, versponnen, verträumt und jedenfalls sicher nicht auf den nächsten Lacher aus.

Auf der Ars Electronica getroffen

Kennengelernt haben sich die beiden in Wien lebenden Oberösterreicher vor sieben Jahren in Linz – passenderweise auf der Ars Electronica. Erzählen, meinen sie verschmitzt, könne man die Geschichte mehr oder weniger romantisch, der Sukkus jedenfalls ist: Sie hat ihn angesprochen, weil er sie an jemanden erinnerte, der zweite Satz „war gleich etwas Musikalisches, ich hab ihm sofort irgendwas vorgesungen“. Ihre Stimme, erinnert sie sich, sei ziemlich kratzig gewesen, „und ich mag“, ergänzt Wienerroither, „so etwas irrsinnig. Viele glauben, dass sie singen können, weil sie so eine engelsgleiche Stimme haben, aber ich finde das immer so charakterlos.“

Man beschloss, sich untertags wiederzutreffen „und etwas auszuprobieren“. Winter hatte da schon viele mit Gitarre geschriebene Songs in petto. „Mittlerweile lachen wir über diese Lieder, aber sie gehören zu meiner Vergangenheit.“ Über die Jahre fanden die beiden heraus, dass – und wie – sie zu zweit am besten funktionieren. Lyrics und Melodien kommen zunächst von ihr, dieses Layout ist dann sein Grundgerüst fürs weitere Tüfteln. Spannend sei das, sagt Winter, weil man aus jedem Lied im Grunde jedes andere basteln könne. „Der Zufall“, ergänzt Wienerroither, „ist immer der größte Freund.“

Versessen auf Töne, hatte er schon als Kind Keksdosen und Stricknadeln zu einem Schlagzeug umfunktioniert; bald bekam er zu Weihnachten Instrumente, eine Kinderziehharmonika, ein Keyboard, das Doppelkassettendeck wurde zum Remixen verwendet. Es zum Beruf zu machen, traute er sich dennoch nicht gleich, wurde zuerst Grafiker, um dann doch Musikproduktion zu studieren. 2013 entstand, quasi als Werbemaßnahme für seine entstehende Agentur, „I Want To Break Free“: Freddy Mercury beim Saugen ohne Musik. Entgegen dem Rat seines Anwalts stellte er die Parodie ins Netz. Im ersten halben Jahr hatte das Video 300 Klicks, dann, plötzlich, innerhalb von einer Woche eine Million. Das Material für seine musiklosen Videos stammt großteils aus der MTV-Zeit, damals habe es in den Videos „noch viel mehr Geschichten gegeben, die man zusammenschneiden konnte“.

Die eigenen Videos der Dramas sind dabei Low-Budget-Produktionen, den Anspruch einer durchgängigen Geschichte, sagt Schauspielstudentin Winter, habe man nicht. Und das, wo die Musik der beiden in ihrer Vorstellung durchaus zu Dramaserien passen würde – einer der vielen Gründe für den Namen ihres Projekts. Im Video zu „Comfort Zone/Robot“ scheint eine milchige Flüssigkeit zum Rhythmus zu vibrieren. Das Lied hat es übrigens in die European Border Breakers Charts geschafft – aus Österreich gelang das heuer daneben nur den (ebenfalls ursprünglich aus Oberösterreich stammenden) Naked Cameo.

In der Selbstbeschreibung der Dramas fallen Begriffe wie Elektronik und Erotik, aber auch Film- und Kirchenmusik. Sie liebe Bach, sagt Winter. „Ich glaube, dass das beim Songwriting mitschwingt.“ Auch Ästhetik ist den beiden ein wichtiger Begriff. Ihre Musik dürfe zwar nicht berechenbar sein – „aber auch die Schönheit nicht verlieren“.

AUF EINEN BLICK

Dramas sind ein 2016 gegründetes Elektro-Pop-Duo, bestehend aus dem Musikproduzenten Mario Wienerroither und der Sängerin und Pianistin Viktoria Winter. Das Debütalbum „Nothing Is Permanent“ erschien Ende Oktober (Fabrique Records).

Termine: 15. Jänner, Graz, Orpheum, 16. Jänner, Salzburg, Rockhouse und 18. Jänner, Steyr, Röda – jeweils als Support des Londoner Multiinstrumentalisten Cosmo Sheldrake.

Am 19. Jänner spielen die Dramas beim FM4-Fest in der Ottakringer Brauerei, am 20. April in Dornbirn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2018)

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