Life Ball: Seine Gegner, seine Gäste

Was den Life Ball zu dem gemacht hat, was er heute ist: Gery Keszler, seine Unterstützer, Gegner und Gäste. Viele griffige Aussagen. Wir sondieren die Beweislage.

Der Life Ball. Vieles ist in zwanzig Jahren schon über ihn geschrieben worden, vieles eben auch nicht. Manches lässt sich auch nur zwischen den Zeilen lesen. Wie sonst soll so ein Ball, der seit 20 Jahren das Land prägt, in Worte gefasst werden? Das „Schaufenster“ hat mit vielen Menschen rund um den Ball gesprochen, natürlich das eigene Archiv umgegraben und daraus die wichtigsten Zitate zusammengesucht. Heraus kommt ein Mosaik über den Life Ball, das im Zusammenhang vielleicht doch ein ziemlich gutes Porträt des verrücktesten Balls der Stadt abliefert.

Wir kramen im Archiv . . .

„In wenigen Monaten soll der erste Life Ball im Wiener Rathaus stattfinden – und Keszler hat Angst. Angst sich zu blamieren, Angst um seine Zukunft, um seinen Ruf. Angst vor Vorschriften und Gesetzen, die keiner durchblickt. Angst, dass niemand versteht, was der Life Ball eigentlich bedeutet.“ (Janina Lebiszczak aus einem Text für und über Gery Keszler auf der Life-Ball-Pressekonferenz)

„Es gab schon so viele Texte über den Life Ball. Aber ich habe sie nicht mehr weiterlesen können, weil einfach zu viele Superlative darin enthalten waren. Eine unfassbare Beweihräucherung.“ (Gery Keszler, Life-Ball-Pressekonferenz)

„Der Aids-Ball im Rathaus am 28. Mai ist ein Kostümfest ohne Kostümzwang. Es ist dies kein Ball im herkömmlichen Sinn, sondern eine Mischung aus Informationsveranstaltung, Benefizgala und Diskothek. Eine Kostümprämierung ist ebenfalls vorgesehen.‘“ (Erste Berichterstattung über den Life Ball in der „Presse“, 1994)

„Der Life Ball ist eine Antiverzwergungsveranstaltung.“ (Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner, Life-Ball-Pressekonferenz)

„Ohne ihn hätte es den Ball nicht gegeben.“ (Gery Keszler über Helmut Zilk in „Die Presse“)

„Was kullert da bei Koller?“ (Die deutsche Presse berichtet über den Busenblitzer von Dagmar Koller im Gaultier-Kleid, 1995).

„Ich will ja nicht enterbt werden“, soll Hubertus Hohenlohe 1997 gesagt haben, als er es ablehnte, in einem „Po sprengenden“ Tanga über den Laufsteg zu laufen. („Täglich Alles“)

2000 steht der Ball ganz im Zeichen der schwarz-blauen Regierung. Keszler bekennt Farbe: „Die Regierung ist nicht eingeladen.“ (Life-Ball-Pressekonferenz)
Es hilft aber alles nichts. Designer wie Alexander McQueen und Jean-Paul-Gaultier sagen ab. Ebenso Sänger Boy George.

„Die derzeitige politische Lage macht es uns unmöglich, unsere Produkte in Österreich zu bewerben.“ (Jean-Paul Gaultier, „News“)
„Wir hassen Haider. Boy George kommt deshalb nicht.“
(Management von Boy George, „News“)

„Für mich passen Life Ball und Elmayer sehr gut zusammen. Der Life Ball hat sich immer stark von der Wiener Balltradition inspirieren lassen.“ (Gery Keszler im „Kurier“)

„Eine Monarchie der Eitelkeit und des Spaßes, voller selbstdarstellerischer Alleinherrscher, Adel der Verkleidung – mit einem Gesetz: Zwang zur Exaltiertheit.“ (Franzobel über seinen ersten Life Ball in „Die Presse“)

„Wenn ich ein Anrainer wäre, würde ich das Wochenende woanders verbringen“, abgesehen davon ist der Life Ball für sie aber eine „absolut lustige Sache“. (Ursula Stenzel in „Die Presse“)

„Wenn du Krebs hast, bist du eine arme Sau, wenn du Aids hast, bist du eine perverse Sau.“ (Gery Keszler zitiert Alfons Haider, Life-Ball-Pressekonferenz)

Die Ballbesucher geben pro Kopf 512 Euro aus. Der Life Ball liegt nach Google, Ikea oder McDonald’s auf Platz neun der differenziertesten Marken in Österreich.
(aus einer Studie von Y&R)

„Wir verkaufen damit auch Image, nicht nur
Hotelbetten.“ (Wiener Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank, Life-Ball-Pressekonferenz)

„Die Stars, die zum Life Ball kommen, sind nicht nur weltberühmt in Österreich, sondern wirklich weltberühmt.“ (Norbert Kettner, Life-Ball-Pressekonferenz)

Gery Keszler ist gleich Mr. Life Ball, entsprechend viel wird auch über ihn gesprochen.

„Der macht was Tolles, seid’s nett zu ihm.“ (Zilk präsentiert 1993 Keszler, „Die Presse“)

Holger Thor vulgo Miss Candy: „Größenwahn hat einen neuen Namen: Gery Keszler.“ („News“)

„Gery Keszler nervt. Und das ist gut so.“ („Falter“)

„Diplomat ist er keiner.“ (Claudia Stöckl, Ö3)

„Keszler ist ein Networker, aber kein Packler. Er ist anstrengend für Partner, aber das macht den Erfolg aus.“ (Norbert Kettner, Life-Ball-Pressekonferenz)

„Wenn er könnte, er würde sich in vier Millionen kleine Teile teilen und alles selbst machen.“
„Er ist während des Stylings dagestanden und hat alle fünf Minuten gesagt: ,Das muss hysterischer werden.‘ Hysterischer, hysterischer: Das ist sein Wort.“
„Er hat einen unglaublichen Kult um seinen Hund, Herrn Brodmann. Wenn der Hund da ist, vergisst er alles andere um sich.“
„Er will, dass in der Presse der Fokus auf ernsthafte Themen gelegt wird, aber das ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man so eine Veranstaltung organisiert.“
„Der Life Ball ist eine gute Schule. Du brauchst Nerven aus Stahl. Weil du ständig auf der Suche bist. Auf der Suche nach den Models, nach den Künstlern, nach den Leuten, die über den Laufsteg laufen.“
(Zitate anonym bleiben wollender ehemaliger Mitarbeiter)

Was Gery Keszler über sich, die Welt und sein Lebensprojekt, den Life Ball sagt...

„Es ist ein bisschen einfach zu sagen, dass ich anstrengend und lästig bin. Auf der einen Seite musste ich Figuren kreieren, die zum Life Ball passen: schräg und schrill. Auf der anderen Seite war der Erfolg des Life Balls darauf aufgebaut, dass ich permanent Klinken geputzt habe, um Gefälligkeiten bitten musste, Ideen haben musste.“ („First“)

„Und gerade in Österreich ist es so ekelig, diese ewige Mischpoche. Für mich ist das so eine Marchfelderhof-Society. Aber was mich so wahnsinnig macht, ist, dass da ununterbrochen die ewigen Maria Lahrs, Richard Lugners bis Jeannine Schillers hingehen und futtern, und dann geht das Personal durch, und die bekommen nicht mal ein Trinkgeld. Das kotzt mich so an. [. . .] Aber ich war einige Jahre wirklich Mitläufer. [. . .] Ich will das auch gar nicht verteufeln, es war halt einfach extrem oberflächlich.“ („Frühstück bei mir“, Ö3)

„Nichts war einfach easy-cheesy am Anfang.“ (Life-Ball-Pressekonferenz)

„Am 29. Mai sollte der Life Ball sein – und am 18. Februar war ich bei Helmut Zilk und habe ihn gebeten, dass er mir das Rathaus zur Verfügung stellt. Er hat mir dann geschrieben, dass er einen solchen Ball für eine ‚unterstützenswerte Initiative‘ hält. Das war sein Okay.“ („First“)

„Gott sei Dank war ich so naiv, sonst hätte ich mich nie über diese Geschichte darübergetraut.“ („Falter“)

„Ich wollte noch ein Konzert im Stephansdom machen, das wäre ein wichtiges Signal. Der Kardinal hat dann aber gemeint, es wäre noch ein sehr, sehr langer Weg zum Life Ball.“ (Pressekonferenz)

Nachdem die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ 2009
Gerüchte über unauffindbare Gelder in Höhe von 670.000 Euro verbreitet hatte, unterzog sich Keszlers Aids-Life-Verein einer steuerlichen Sonderprüfung. Er sagte: „Die interne Prüfung hat ergeben, dass jeder einzelne Euro widmungsgemäß verwendet wurde.“ („Die Presse“)

„Das hat nichts mit persönlicher Kränkung zu tun, sondern war ein gezielter Angriff auf mein unbeschädigtes Image nach 17 Jahren Life Ball.“ („Kurier“)

„Mein Dank gilt auch der Presse. Auch mit der ganzen Ambivalenz der Berichterstattung, aber immer nur hochjubeln wäre ja fad. Ich finde es gut, wenn Dinge diskutiert werden.“ (Life-Ball-Pressekonferenz)

„Wir haben vorab nur 150 Karten verkauft. Und als der Thierry Mugler (Designer, Anm.) kam, mussten alle Helfer in den großen Saal, damit er denkt, wir sind ausverkauft. Die Erleichterung kam, als ich runtergegangen bin und gesehen habe: Da sind Tausende angestellt, die ins Rathaus wollen.“ („First“)

Der Life Ball war als einmaliges Event geplant. Doch Keszler ändert seine Meinung. „Einerseits haben wir mit dem ersten Life Ball eine Million Schilling erwirtschaftet. [. . .] Und andererseits ist am 5. Jänner 1994 mein bester Freund Torgom gestorben, der ja von Anfang an dabei war. Kurz vor seinem Tod hat er mich gebeten, dass ich weitermache – und ich habe es ihm versprochen.“ („First“)

„Jede Solidarität hat eine andere Farbe. Die Farbe Rot steht für Aids.“ („Leporello“, Ö1)

„Elton John hat ein riesiges Grinsen im Gesicht, und plötzlich wird er ganz grau, fängt zu schimpfen an, Wörter, die ich nicht wiederhole, und springt sofort ins Auto. Er hat die volle Panikattacke bekommen. [. . .] Irgendwann hab ich dann gesagt: ,Lass uns zurückgehen und lass uns unsere Arbeit machen.‘ Und er hat damals auch seine schönste Rede gehalten.“ (über Elton Johns ersten Auftritt in „Frühstück bei mir“, Ö3)

Grace Jones bringt Keszler ins Schwitzen: „Plötzlich beschließt sie, nicht aufzutreten, obwohl der Ball schon begonnen hat, und dann wollte sie auf einmal in die Sauna gehen. Ich habe dann einen Kollegen genötigt, dass er sie keine Sekunde aus den Augen lässt und (er?) war dann bei 120 Grad im Smoking mit ihr in der Sauna. [. . .] Helmut Berger war der Einzige, der jemals hochkant rausgeflogen ist. Der hat sich so dermaßen danebenbenommen, gepöbelt, Leute geschlagen.“ („Frühstück bei mir“, Ö3).

„Am Anfang hast du die Narrenfreiheit, dann haben konservative Kräfte alles darangesetzt, dieses Event zu verhindern, weil es ein anderes Gesellschaftsbild spiegelt, eine unverkrampfte, liberale Gesellschaft.“ („Falter“)

1996 ist Gery Keszler wütend über das Fernbleiben der Politik: „Der Bundespräsident sagte ab, weil er angeblich nur auf den Opernball geht, der Bundeskanzler entschuldigte sich auch, und der Bürgermeister, dem diese Veranstaltung gewidmet ist, findet es ebenso wenig der Mühe wert herzukommen.“ („Kleine Zeitung“)

„Jeder Drink auf dem Life Ball ist teurer als die Therapie für ein Kind für einen ganzen Monat.“ (Life-Ball-Pressekonferenz)

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