Drei Generationen Opernball

Marie Boltenstern
Marie Boltenstern(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ihr Großvater hat die Oper wiederaufgebaut, ihr Vater hat dort den ersten Ball eröffnet und Marie Boltenstern hat nun die Tiara gestaltet.

Wie wichtig, ja, fast staatstragend der Opernball hierzulande den Menschen erscheint, lässt sich auch am Beispiel kleiner Details illustrieren, die – da sie Österreichs bedeutendsten Ball betreffen – mit einer erstaunlichen Ernsthaftigkeit diskutiert werden. Diese These lässt sich im heurigen Jahr etwa an den Tiaras veranschaulichen, jenen Krönchen also, die die Debütantinnen beim Einzug in den Ballsaal tragen und die jedes Jahr im Auftrag von Swarovski von einem ausgewählten Designer gestaltet werden. Heuer ist die Geschichte der Designerin – aber dazu später – tatsächlich außergewöhnlich, wurde nun aber ungeplanterweise getrübt.

Nachdem die junge Architektin und Schmuckdesignerin Marie Boltenstern bei der Opernball-Pressekonferenz (einer der längsten des Jahres, nebenbei bemerkt) als erste österreichische Designerin der Tiara zum 60. Jubiläum präsentiert wurde (die Tiara selbst natürlich auch), rückte ihr Vater, der bekannte Schmuckdesigner Sven Boltenstern, im Anschluss an die Pressekonferenz aus, um eine etwas andere Version der Geschichte in die ORF-Kamera zu sprechen. Nicht seine Tochter, sondern er habe die Tiara entworfen, sagte er, seine Tochter „habe ja noch Zeit“, sei aber natürlich „maßgeblich beteiligt“.

Marie Boltenstern selbst versichert gegenüber der „Presse am Sonntag“ jedenfalls, dass sie – und sie allein – die Tiara entworfen habe. In der Firma – die sie mit Anfang des Jahres von ihrem Vater übernommen hat – sei einstimmig beschlossen worden, dass sie das Design für die Opernball-Tiara allein übernehmen solle. Ihr Vater habe zwar in der Vergangenheit Entwürfe für das Krönchen gemacht, da es sein großer Wunsch gewesen sei, einmal die Tiara für die Debütantinnen zu gestalten. Das nunmehr ausgewählte Modell, sagt Marie Boltenstern, „habe aber ich von null auf am Computer entworfen. Es ist wirklich ein Produkt von mir.“

Ob geplant oder nicht, ob nun ein „massiver Familienzwist oder ein gelungener PR-Gag“ dahintersteckt (wie es der ORF in den Raum stellt) oder möglicherweise gar nichts davon: Die „unfassbar entzückende Geschichte“ – wie Opernball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh im ORF die Beziehung der Boltensterns zu dem Opernball bezeichnet – ist dadurch nun kurzzeitig nicht mehr ausschließlich entzückend. Erzählenswert ist sie aber dennoch.

Wiederaufbau

Tatsächlich ist die Familie Boltenstern seit nunmehr drei Generationen mit der Wiener Staatsoper und dem Opernball eng verbunden. Marie Boltensterns Großvater, der bekannte Architekt Erich Boltenstern, war nach dem Zweiten Weltkrieg für den Wiederaufbau der zerstörten Oper verantwortlich. Neben dem Ringturm trägt damit ein weiteres sehr zentrales Gebäude am Ring seine Handschrift. Auch der Ballsaal und die Dekoration beim ersten Nachkriegs-Opernball 1956 stammen von ihm.

Da verwundert es wenig, dass einer seiner Söhne, Sven Boltenstern, beim ersten Opernball der Nachkriegszeit am 9. Februar 1956 – die Oper selbst wurde im November 1955 wiedereröffnet – als Debütant einziehen durfte. „Es war ein tolles Fest und eine ganz wunderbare Erfahrung, da auch viele meiner Freunde den ersten Ball eröffnet haben“, erinnert sich Sven Boltenstern, heute 83 Jahre alt. Was ihm am meisten in Erinnerung geblieben ist? „Der schwere Stoffboden“, der den Linkswalzer der Eröffnung erschwert hat. Schon damals, im Jahr 1956, meint er, habe man gespürt, dass der Opernball eine bedeutende Veranstaltung der Wiener Ballsaison werden würde.

Da nun seine Tochter Marie Boltenstern die Tiaras der Debütantinnen entworfen hat, spielt nun also auch die dritte Generation der Boltensterns eine nicht unwesentliche Rolle auf Österreichs wichtigstem Ballereignis. Auch Marie hat den Opernball – vor zehn Jahren – eröffnet. Das sei auch der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen gewesen, wie sie die Tiara gestalten würde: „Das Gefühl, wenn man als Debütantin in diesen Saal eintritt, ist das einer sich öffnenden Blume“, sagt sie. „Dieses Gefühl wollte ich mit dieser Krone ausdrücken“, konkret durch einen „größeren Mittelteil, der graduell nach hinten wächst“.

Immer verbunden

Sie habe, erzählt sie, schon als Kind eine spezielle Verbindung zum Opernball und zur Oper gehabt. Nicht nur, weil der Großvater diese wiederaufgebaut hat. „Ich erinnere mich daran, dass ich als kleines Mädchen beobachtet habe, wie sich meine Eltern für den Ball schön gemacht haben und ich im Pyjama die Schuhe von der Mama probiert habe. Dass der Opernball immer Teil von uns war, hat sich bei mir schon eingeprägt.“ Natürlich wird sie auch beim heurigen Ball dabei sein.

Für ihren Vater, der seit 1956 an die 15 Mal auf dem Opernball war, hat sich im Lauf der Jahrzehnte nicht sehr viel an der speziellen Atmosphäre geändert. „Es war immer so, dass alle möglichen Leute da waren, von Industriellen über Politiker bis hin zu Menschen, die den Ball einfach einmal erleben wollten. Nach und nach wurden die Künstler in die Oper geholt, was für mich ein ganz wichtiges Detail darstellt.“

Fakten

Erich Boltenstern (1896-1991) war als Architekt für den Wiederaufbau der Wiener Staatsoper nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Er hat auch den Ballsaal entworfen.

Sein Sohn Sven Boltenstern (Bild) war einer der 400 Debütanten, die den ersten Nachkriegs-Opernball am 9. 2. 1956 eröffnet haben.

Marie Boltenstern,seine Tochter, die wie ihr Vater Schmuck designt, hat vor zehn Jahren ebenfalls den Ball eröffnet und im heurigen Jahr im Auftrag von Swarovski die Tiara für die Debütantinnen gestaltet.

Michaela Bruckberger, Imago

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

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