Schlaf(los) in der Wiener Oper: Schattenchefin des Balls

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Donnerstag Abend lädt die Staatsoper zum 56. Opernball. Generalsekretärin Eva Dintsis ist seit 30 Jahren im Hintergrund am Werk und ist die Ansprechpartnerin für alles und jeden.

Zwei Kieferbrüche, drei Knöchelbrüche, zwei verletzte Knie: Die Bilanz der Debütanten, die schnell vor dem Opernball noch Skifahren waren. „Immer die Buben, komischerweise“, sagt Eva Dintsis. Den verwaisten Mädchen „kann man dann doch nicht sagen, es geht nicht“, zeigt sie Mitleid. Also müssen irgendwo Ersatz-Tanzpartner her, die noch nie eröffnet haben. „Da sind wir streng.“

Die Mischung aus freundlich-fürsorglich und streng charakterisiert Eva Dintsis ganz gut. Als Generalsekretärin des Opernballs ist sie Ansprechpartnerin für alles und jeden. Besorgte Komitee-Eltern. Leute, die ihre Karten vergessen haben und nicht wissen, wo sie sitzen. Jene, die doch mehr Plätze brauchen oder auf Last-Minute-Kommissionskarten hoffen. Und all jene, die immer wieder dieselben Fragen stellen: „Muss man für den Ball wirklich eine weiße Weste haben?“ Ja, sagt Dintsis dann (in dem Fall nur für den Dresscode-Aspekt des Gesellschaftsereignisses zuständig): „Frack ist Frack.“

Wenn heute Abend Gäste von Heinz Fischer bis UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon ihre Plätze eingenommen haben und die Fanfare, die Bundeshymne und die Europahymne erklingen, dann liegen anstrengende Wochen hinter der Generalsekretärin. Ein letzter, nervöser Blick auf die Logen (ob wohl alle voll sind, alles andere sähe im Fernsehen merkwürdig aus), dann kann auch sie für ein paar Stunden den Ball genießen, Freunde treffen, tanzen.


Dabei ist es weniger der Ball als die Musik, der Dintsis Liebe gilt. „Die war immer schon da und ist immer stärker geworden. Aber da ich nicht sehr musikalisch bin, war das kein Betätigungsfeld.“ Dintsis studierte Italienisch und Englisch, mit dem Lehramt als Ziel. „Fünf vor zwölf“ hörte sie auf. Stattdessen löste sie die Feuerwehr in der Staatsoper ab – die einst für die Führungen zuständig war. Weil die Feuerwehr nur deutsche Führungen anbot und man anno 1982 langsam der Meinung war, dass es Zeit für mehr Sprachen sei. Dintsis, die auch Französisch und Griechisch spricht, begann als Führerin (bis heute werden die Führungen von ihr koordiniert), wenig später holte sie die damalige Assistentin von Ballchefin Lotte Tobisch als Hilfe ins Opernballbüro.

Also arbeitete Dintsis mit Tobisch, der Schauspielerin, die ihre „Schokoladenseite“ kannte, mit Elisabeth Gürtler, die inzwischen mit der „Fête Imperiale“ ihren eigenen Ball erfunden hat, und mit „Desi“, die auf offenes Teamwork setzt und nur Gutes über Dintsis sagt: von den Opern, die sie auswendig kenne, dem halben Medizinstudium, das sie mit der Tochter absolviert habe, von den Blumen, mit denen sie spricht und die nur sie zum Blühen bringe.

Auch Dintsis sagt nur Gutes. „Das Ambiente ist schön, die Arbeit macht Spaß, die Kollegen sind nett, und der Direktor ist nett, was will man mehr?“ Aber es war doch nicht immer so entspannt? „Nein“, sagt Dintsis, „war es nicht immer. Aber über die Vergangenheit reden wir nicht.“

Schade, denn angesichts der 30 Ballplakate, die im gewundenen Stiegenhaus hängen, ließen sich sicher so manche Skandälchen erzählen. Wo doch die Plakate selbst – so sehr emotionalisiert der Ball bis heute – für kleinere Skandale sorgen. Die Dame vor der Karlskirche 2009 habe „eine Polemik hervorgerufen“. Und auch die Tattoos der heurigen Ballerina haben so manchen empörten Anruf provoziert. Immerhin, selbst beim Fiaker-Bild 1982 „war das Pferd zu klein“.

Ob sich der Ball in den drei Jahrzehnten gewandelt habe? „Ich finde“, sagt Dintsis, „es sind heute mehr junge Leute da.“ Das Klischee vom Opernball sei eben das, ein Klischee: „Die Leute sagen, es sei etwas für die Reichen, die Elite. Aber wenn man sich überlegt, was eine Woche Skifahren kostet... Wenn man es möchte, ist es erschwinglich. Es hängt ja auch viel dran.“ Schlafen wird Dintsis heute Abend übrigens in der Kostümabteilung. „Eine Kollegin und ich bleiben gleich da, weil am nächsten Tag kommen ja schon die Leute um Karten fürs nächste Jahr.“

Auf einen Blick

Zum Wiener Opernball kommen u.a. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, Ex-Model Helena Christensen, Prinzessin Bajrakitiyabha von Thailand, die Exsportler Lothar Matthäus und Boris Becker, dazu Schauspieler wie Roger Moore, Rosario Dawson, Nicholas Ofczarek und Michael Schönborn. Der ORF überträgt ab 20.15 Uhr zum Ball.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2012)

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