Morddrohung gegen Moderatoren

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Nach dem Selbstmord jener Krankenschwester, die für Kate Middleton sorgte, müssen sich die für den Telefonscherz verantwortlichen Moderatoren verstecken.

London. Drei Abschiedsbriefe schrieb Jacintha Saldanha, bevor sie sich am Freitag vor einer Woche im Schwesternwohnheim des Londoner King-Edward-VII.-Krankenhauses mit einem Schal erhängte. In einem hinterließ die Nachtschwester ihre Beerdigungswünsche. In einem zweiten beschrieb die 46-Jährige ihre Probleme, mit dem vorausgegangenen Juxanruf zweier australischer Radiomoderatoren zurechtzukommen.

Doch vor allem der dritte Brief empört ihre Familie und schürt Zweifel an der Version ihres Arbeitgebers: Denn darin soll sich die indischstämmige Frau kritisch über ihre Vorgesetzten äußern.

„In einem der Briefe, dem längsten, geht es um das Krankenhaus, und der ist im Ton sehr kritisch“, zitiert der „Daily Mirror“ einen Freund der Familie. „Natürlich will Ben (Saldanhas Ehemann, Anm.) nun eine umfassende Untersuchung. Er will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. In dem Brief schreibt Jacintha, wie sie vom Krankenhaus behandelt wurde.“ Das Privatkrankenhaus, in dem sich Mitglieder des britischen Königshauses seit Jahrzehnten behandeln lassen, beharrt darauf, Saldanha „voll unterstützt“ zu haben. Es habe keine disziplinarischen Maßnahmen gegen die „ausgezeichnete“, „erfahrene“ und „geschätzte Kollegin“ gegeben, die seit vier Jahren in der Klinik gearbeitet und mit ihren beiden Kindern (14 und 16 Jahre alt) sowie ihrem Mann Ben in Bristol gelebt hat.

Saldanha hatte den Anruf Dienstagfrüh vergangener Woche angenommen und in der Annahme, sie habe die Queen persönlich am Apparat, arglos auf die Station durchgestellt, auf der Kate Middleton wegen Schwangerschaftsübelkeit behandelt wurde. Dort gab eine Kollegin dann ebenso arglos-bereitwillig Auskunft über den Gesundheitszustand der werdenden Mutter.

In einem Brief an den Besitzer von „2DayFm“ hat die Klinikleitung nach dem Tod Saldanhas den beiden Moderatoren und dem Sender die Schuld gegeben: Durch den „abscheulichen“ und „albernen“ Scherz seien zwei Krankenschwestern weltweit bloßgestellt worden – „mit tragischen Konsequenzen.“ Doch Saldanhas Familie genügt das als Erklärung nicht: Sie erfuhr erst nach deren Tod von Jacinthas Rolle in dem tragisch missglückten Scherz. Obwohl sie angeblich täglich miteinander sprachen, hatte sie offenbar nicht einmal ihrem Mann davon erzählt.

„Sie waren eine eng verbundene Familie. Sie trauern. Und sie wollen die ganze Wahrheit wissen“, so der indischstämmige Abgeordnete Keith Vaz, der die Familie öffentlich vertritt. Er hat in ihrem Namen schon Anfang der Woche eine Liste mit Fragen an das Krankenhaus geschickt und kritisiert, dass die Klinik es tagelang nicht für nötig befand, der Familie persönlich zu kondolieren.

In einem medialen Sturm der Entrüstung, angefacht von der Boulevardpresse, sind die beiden „2DayFm“-DJs Mel Greig und Michael Christian in den letzten Tagen quasi zu Mördern abgestempelt worden. Die Moderatoren, die bis auf Weiteres suspendiert sind, hätten „Blut an den Händen“, hieß es. Wegen Morddrohungen müssen sie sich versteckt halten.

Keine kritischen Fragen an Royals

Kritische Fragen nach der Rolle der übrigen Akteure in der Tragödie werden in Großbritannien indes bislang kaum gestellt. So hat die Pressestelle von Prinz William und Kate erklären lassen, man sei bestürzt über den Tod der Schwester – und habe sich keinesfalls über sie beschwert.

Auch mit der Veröffentlichung privater Details über Jacintha hält sich die sonst so aggressive britische Presse auffällig zurück: Sie will jetzt keine Fehler machen. Denn nach dem Abhörskandal der vergangenen Jahre berät die Regierung über eine schärfere Regulierung der Presse. Ein australischer Sündenbock ist da bequemer.

Auf einen Blick

Die KrankenschwesterJacintha Saldanha war in dem Spital ans Telefon gegangen, in dem Prinz Williams Frau Kate Middleton wegen Schwangerschaftsbeschwerden behandelt wurde. Zwei australische Radioleute gaben sich als Queen Elizabeth II. und Prinz Charles aus. Saldanha stellte den Anruf zu einer Kollegin durch, die Auskunft gab. Drei Tage später erhängte sich Saldanha.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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