Glamour, Gossip, Lipgloss. Und so . .

Der unhöfliche Herr Obama oder: Warum man nur verwackelte Smartphone-Fotos twittern sollte.

Langsam, sehr langsam nur, erholen wir uns von der durchgemachten Nacht von Dienstag auf Mittwoch dieser Woche. Die Champions-League-Übertragung ist ja nahtlos in die Berichterstattung über die amerikanische Präsidentschaftswahl übergegangen. Wobei Borussia Dortmund gegen Real Madrid letztlich doch deutlich spannender war als Barack Obama gegen Mitt Romney.

Wir hatten den Stars-&-Stripes-Hut auf, das Bud eingekühlt, den ersten Hotdog verdrückt und gerade erst begonnen, Marshmallows über der Kerze zu bräunen, als plötzlich schon alles vorbei war. Obama hatte klar gewonnen, es war gerade einmal fünf Uhr in der Früh. Wenn man jene Sender konsultiert hatte, in denen die Gäste mit großen bunten Häferln die aktuelle Situation analysierten (im deutschen Fernsehen saßen die Politexperten doch tatsächlich mit Tassen samt Untertassen seltsam steif auf der Couch), dann war es noch viel früher klar. Kein Spannung übrig, trotzdem zu spät, um noch schlafen zu gehen.

Zu allem Überfluss verdarb uns der Wahlsieger auch noch den letzte Spaß: Das rituelle Warten auf das Eingeständnis der Niederlage des Wahlverlierers, das normalerweise in Form eines Telefonanrufs erfolgt, der wiederum Voraussetzung für die Rede des Siegers ist, wurde brutal verkürzt. „Four more years“, ließ der Präsident via Twitter wissen – zusammen mit einem hochproblematischen Bild.

Nicht, weil es den Präsidenten in inniger Umarmung mit seiner Frau Michelle zeigt. Sondern, weil es die Twitterform sprengt. Entweder man bedient sich der Highspeedplattform, oder man lanciert vorbereitete Kunstfotografie. An ein Tweet kann man ein verwackeltes Smartphone-Foto von einer improvisierten Siegesfeier mit Pappbechern und Tränen anhängen, aber nicht dieses Foto. Das macht das Format kaputt. Und natürlich auch Romneys Anruf, der nach dem Sieges-SMS des Wiedergewählten überflüssig war. Schlechte Manieren für einen US-Präsidenten.

Am nächsten Tag hat der unhöfliche Herr Obama dann noch vor der Kamera geweint. Bei einer Rede vor Wahlhelfern verlor der wiedergewählte Präsident die Fassung und musste unter großem Applaus abbrechen. Nachdem er sich wieder erfangen hatte, stellte er das Rührvideo auf YouTube.

Die nächsten vier Jahre können also kommen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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