Walk of Häme

Mehr Mut zum Lindnern oder: Warum Regierungen in halb Europa wackeln und was Vorarlberg damit zu tun hat. ?

Glamour, Gossip, Lipgloss.
Und so . . .

Diepresse.com

Endlich! Man hat an beides nicht mehr geglaubt, und nun kommen die erlösenden Nachrichten aus Deutschland: Horst Seehofer tritt zurück (als CSU-Chef), und die „Lindenstraße“ wird eingestellt. Wer allerdings wen letztlich überlebt, wird sich erst herausstellen. Die letzte Folge der „Lindenstraße“ soll im März 2020 ausgestrahlt werden, gut möglich, dass sich Horst Seehofer dann immer noch verbissen an seinen Innenministersessel krallt.

„Lindnern“, das auf einer diese Woche veröffentlichten Liste der zehn beliebtesten Jugendwörter in Deutschland steht, hat übrigens mit der „Lindenstraße“ nichts zu tun. Sondern mit dem FDP-Chef Christian Lindner, der ja bekanntlich die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition trotz Grundsatzeinigung platzen ließ: Lindnern steht (egal, ob Jugendliche dieses Wort tatsächlich verwenden) also dafür, etwas lieber gar nicht zu machen, bevor man es schlecht macht. Da würde man sich doch glatt wünschen, die Briten würden, was den Brexit betrifft, endlich lindnern. Da kommt nämlich garantiert nichts Gutes dabei heraus. Das müsste sich langsam auch bis in die hintersten Reihen des House of Lords durchgesprochen haben.

Überhaupt geht es in Europas Regierungen derzeit auffällig drunter und drüber: Die deutsche Große Koalition regiert nur mehr auf Abruf, Theresa May zittert vor dem nächsten Misstrauensantrag, die italienische Regierung ist vonseiten der EU wegen des zu hohen Budgetdefizits unter Druck, in Rumänien ist vor der Übernahme des EU-Vorsitzes mit Jänner 2019 ein offener Konflikt zwischen dem Präsidenten und der Regierung ausgebrochen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schwächelt hartnäckig in Umfragen, der tschechische Premier muss sich wegen der angeblichen Entführung seines eigenen Sohnes (!) gegen Rücktrittsaufforderungen stemmen, und Schweden schafft es überhaupt nicht mehr, eine neue Regierung zu bilden.

Kommt nun auch noch Sebastian Kurz in Schwierigkeiten? Im Streit um eine umstrittene Abschiebung in Vorarlberg, bei der sich Bund und Land die Schuld zuschieben, wer eine Mutter von ihrem Kleinkind getrennt hat, hat der grüne Landesrat Johannes Rauch mit einem politischen Naturgesetz gedroht: „Es ist noch keinem Kanzler gut bekommen, wenn er sich mit Vorarlberg angelegt hat.“

Ja, im Zweifel ist es besser zu lindnern.

?florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2018)

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