Walk of Häme: Rückschlag für das Tussi-Essen

Herber Rückschlag für das Tussi-Essen oder: Warum der EHEC-Keim ein Comeback der Macho-Küche bringen könnte.

Das Rennen schien gelaufen, der Krieg war eindeutig entschieden, der Vogel mausetot sozusagen. Zuerst hatten Ärzte jahrzehntelang gepredigt, dass der übermäßige Fleisch- und Fettkonsum in der westlichen Welt die empfohlene Ernährungspyramide (wenig Fleisch, viel Pflanzliches) auf den Kopf gestellt hatte. Mit der Folge eines dramatischen Ansteigens von Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfällen und Krebs. Dann kam die Tierschutzlobby in Fahrt, die mit drastischen Bildern von Massentierhaltung und Transporten vielen das günstige Fleisch madig machte.

Für all jene, denen die eigene Lebenserwartung und das Tierleid noch nicht Argument genug war, folgten dann noch härtere Bandagen. Dioxinalarm, BSE-Skandal (ja, das waren diese zuckenden zusammenbrechenden Creutzfeldt-Jakob-Rinder), Vogelgrippe und zuletzt lebensgefährliches Gammelfleisch. Als wäre das alles noch nicht genug, folgte der ultimative Todesstoß für den Fleischesser: Demnach hat jedes argentinische Steak auf dem Weg in die Pfanne mehr CO2 ausgestoßen als ein Jumbo auf dem Weg von Europa nach Japan. Oder so ähnlich.

Spätestens an diesem Punkt war der Weg frei für die Veggiefraktion. Jenem (zunächst überwiegend weiblichen) Teil der Gesellschaft, der über Salatschüsseln, Rohkosttellern oder Frischkäsedosen gebeugt jahrzehntelang übergewichtigen, rotgesichtigen, schwitzenden Männern beim Verzehr ganzer Rinder-, Schweine und Lammhälften zuschauen mussten. Doch nun war Gemüse, Rohkost, Reis, Kartoffel und Bulgur auf der Überholspur, ein kleines Stückchen weißes Fleisch oder etwas Fisch einmal pro Woche galt als genug, die machistische Esstradition war so gut wie tot.

Es hätte kaum besser laufen können, bis, ja bis der Inbegriff des Tussi-Essens diese Woche plötzlich auf der Todesliste aufgetaucht ist: Tomate, Salat und Gurke. Und als Beweis für das bis hier strapazierte Klischee erkranken auch wirklich hauptsächlich Frauen mittleren Alters am Keim der Todesgurke.

Ob nun wirklich ein Comeback der Machoküche mit Leberkäse, Würstel, Burger und Gegrilltem bevorsteht, ist noch völlig offen. Sicher ist jedenfalls, dass eine längst entscheiden geglaubte Sache wieder spannend geworden ist. Was wir allerdings in Zukunft überhaupt noch essen dürfen, ist völlig ungeklärt.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2011)

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