My Big Fat Turkish Wedding

Das Brautpaar
Das BrautpaarThomas Steinlechner
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In der Innsbrucker Olympiahalle finden zumeist Sportgroßveranstaltungen und Rockkonzerte statt. Und ab und zu auch eine türkische Hochzeit.

Der „Speaker“, wie er genannt wird, ist ganz in seinem Element. „500 Euro gibt es von der Tante Akkiz des Bräutigams“, ruft er ins Mikrofon. „1000 Euro kommen von seinem Onkel Bülent. Und noch einmal 1000 Euro von seinem Großvater Sami. Bravo Sami.“ Die öffentliche Geschenkübergabe ist der Höhepunkt jeder türkischen Hochzeit.

Geschenkt wird neben Geld auch Goldschmuck. Sonst nichts. „Drei goldene Armreifen von der Schwester der Braut“, verkündet der Speaker. „Und weitere fünf von ihrer Großmutter.“ Und so weiter und so fort. Fast zwei Stunden dauert es, bis jedes Geschenk überreicht wurde. Die Braut bekommt fast ausschließlich Gold, der Bräutigam hingegen nur Geld. Aber während es üblich ist, dass das Geld in die gemeinsame Haushaltskasse fließt und beispielsweise als Anzahlung für eine gemeinsame Wohnung dient, wird das Gold der Braut nicht angerührt.

Sie behält es, damit sie im Fall einer Scheidung ein kleines Polster für einen Neustart hat. Ein Relikt aus vergangenen Tagen, aber Tradition ist nun einmal Tradition. An Geldgeschenken kam ein Betrag im mittleren fünfstelligen Bereich zusammen. Und mindestens so viel an Goldschmuck. Die genaue Summe will die Familie nicht verraten.

Gesellschaftliches Highlight

Es ist mittlerweile 22 Uhr, die Hochzeit begann um 17 Uhr. Viele der fast 3000 Gäste verabschieden sich wieder. 3000 Gäste? Ganz recht. Eine Hochzeit ist das wichtigste gesellschaftliche Ereignis in der türkischen Kultur. Aus der ganzen Welt werden Freunde und Familienmitglieder eingeflogen. Der Einladung nicht zu folgen, kommt einem Affront gleich. Allein aus Deutschland und der Türkei kamen mehrere hundert zur Feier in die Innsbrucker Olympiahalle.

Bezahlt wird so eine Hochzeit, die in der Regel zwischen 50.000 und 100.000 Euro kostet, zu gleichen Teilen von den Familien des Brautpaars. Ebenso die komplette Einrichtung der ersten gemeinsamen Wohnung. Das junge Paar soll schließlich so unbelastet wie möglich in die Ehe gehen.

Das Paar, der 21-jährige Automechaniker Ismet und die 22-jährige Einzelhandelskauffrau Serap Yilmaz, wirkt mittlerweile nicht mehr ganz frisch. Die vergangenen Stunden mit Hände schütteln und Fotos machen haben ihre Spuren hinterlassen. Schwächeln dürfen sie trotzdem nicht, denn soeben wurde die Tanzfläche wieder eröffnet und sie müssen den Anfang machen. Für die Musik ist eine Liveband zuständig. Gespielt wird Musik für den traditionellen Gruppentanz „Halay“ (siehe Foto unten) ebenso wie moderner türkischer Pop von Tarkan und Mustafa Sandal. Zuweilen befinden sich bis zu 300 Gäste zeitgleich auf der Tanzfläche.

Heiratsmarkt Hochzeit

Türkische Hochzeiten sind zudem der wichtigste Markt für heiratswillige junge Männer und Frauen. Den ganzen Abend lang wird geflirtet, eng getanzt, werden neue Bande geknüpft. Schließlich sind Hochzeiten für viele, vor allem für Mädchen aus traditionelleren Familien, der einzige „geschützte“ Raum, in dem sie sich hübsch machen und tanzen können. So sind auf der Tanzfläche auch Dutzende Frauen mit Kopftüchern zu sehen, die mit perfekt gezupften Augenbrauen und professionell geschminkt in hautengen Kleidern zum türkischen Song-Contest-Gewinner-Song aus dem Jahr 2003 „Everyway That I Can“ von Sertap Erener tanzen. Ein bemerkenswerter Anblick.Ismet und Serap haben sich im Übrigen nicht bei einer Hochzeit kennengelernt. Sie wurden einander vor ein paar Jahren von Freunden vorgestellt. Seither sind sie ein Paar.

Organisiert werden türkische Hochzeiten zumeist von „Wedding Plannern“, die ein Komplettprogramm anbieten – von der Reservierung der Halle über die Buchung der Band und des Fotografen bis hin zum Catering. Was Letzteres angeht, gibt es zumeist Hähnchen, Salat und eine Nachspeise. Auf Papptellern, versteht sich. Mehr ist bei so vielen Gästen einfach nicht drin.

Alkohol wird nicht serviert. Allerdings besorgen die Gastgeber für gewöhnlich genug alkoholische Getränke, die einem die Brüder und Cousins des Bräutigams bei Bedarf unauffällig an den Tisch bringen. Zudem wird es auch geduldet, wenn Gäste für den Eigengebrauch selbst Bier, Wein und Sekt mitnehmen. „Hochzeit light“ als Generalprobe

„Es war eine schöne, würdige Hochzeit“, sagt Ismet. Mittlerweile ist es 2 Uhr Früh. In drei Stunden müssen er und Serap auf dem Flughafen München sein, es geht in die Flitterwochen in die Karibik. „Jetzt bin ich froh, dass wir alles gut über die Bühne gebracht haben. Auch die Henna-Nacht vergangene Woche war großartig.“ Henna-Nacht? Das ist eine Art Hochzeitsgeneralprobe und findet eine Woche vor der Hochzeit in dem Heimatort der Braut statt. In diesem Fall in Reutte. „Das war keine große Sache“, meint Ismet. „Wir haben das in wenigen Tagen organisiert. Es kamen ja auch nur 500 Leute.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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