„Diversity“: So vielfältig wie die Welt

Soul Scene. Glen Luchford setzte unter der Leitung von Alessandro ­Michele die Models in Szene.
Soul Scene. Glen Luchford setzte unter der Leitung von Alessandro ­Michele die Models in Szene.(c) Beigestellt
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Aktuelles Lieblingsattribut der Modeindustrie: „diversity“. Folgt auf den Trend ein Umdenken?

Mysteriös, fordernd und exotisch. So blickte Donyale Luna im März 1966 vom Titelbild der britischen „Vogue“. Und ging damit in die Geschichte ein. Denn das Model auf dem Cover war nicht nur wunderschön, sondern auch dunkelhäutig. Als erste Afroamerikanerin schaffte es Luna, die Salvador Dalí als „Reinkarnation von Nofretete“ bezeichnete, auf das Cover der Modebibel. In über 50 Jahren hat sich viel getan  – ein Cover mit einem dunkelhäutigen Model kommt längst keiner Sensation mehr gleich. Dennoch folgt das Frauenbild in der Modeindustrie zum überwiegenden Teil der Maxime „Groß, dünn und weiß“.

Kampagne mit Soul. Doch schwarze Models sind noch längst nicht so alltäglich, wie man in der Modeszene, die Weltoffenheit für sich proklamiert, gern hätte. Das zeigt auch das Medienecho, das auf die Pre-Fall-Kampagne des Modehauses Gucci gefolgt ist. Denn für die Kampagne „Soul Scene“ wurden ausschließlich dunkelhäutige Models engagiert. Äußerst passend, denn Kreativdirektor Alessandro Michele ließ sich von der englischen Northern-Soul-Szene der späten 1960er-Jahre inspirieren. „Es ist ein historischer Moment. Das gab es zuvor noch nie. Wir können das als einen Schritt nach vorn sehen, welchen Stellenwert Diversität in der Industrie in der vorhersehbaren Zukunft haben wird. Es kann ein Start für eine konsequente Bewegung sein“, meint Camille Munn Francis, eines der Models, das für Gucci von Glen Luchford fotografiert wurde. Für Model Akuba Shabaka sei die Kampagne wichtig, weil sie das Problem der fehlenden Vielfalt deutlich mache. Gleichzeitig diene „Soul Scene“ als Vorbild: „Es ist auch ein Ausblick für andere große Modelabels, dass wir exquisite Mode tragen können und gleich gut aussehen wie nicht dunkelhäutige Personen.“

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Einer der Gründe, warum sich Vielfältigkeit noch nicht vollständig durchgesetzt hat, ist ihrer Meinung nach das Marketing. „In der weiß dominierten Industrie glaubt man, dass sich weiße Models besser verkaufen. Das stimmt offensichtlich nicht. Dieses Fehlen löst bei mir aus, dass ich noch mehr dunkelhäutige Menschen sehen will“, sagt sie überzeugt.

Ob es sich bei „diversity“, dem momentanen Lieblingsattribut der Fashionszene, nur um einen Trend handelt oder sich tatsächlich durchsetzen wird, ist noch nicht absehbar. „Das Problem ist das Gefühl, dass man momentan nur ein Trend ist und alles ganz schnell wieder wird, wie es bisher war. Das wird sich erst mit der Zeit legen – wenn wir diverse Models jedes Jahr sehen und sie zum Schluss die Norm sind und wir nicht mehr darüber sprechen müssen“, meint Francis davon überzeugt.

Revolutionär? Für Roberta Manganelli, Gründerin der Wiener Modelagentur Stella Models, ist „diversity“ nicht mehr als ein Trendwort. „Die Gucci-Kampagne ist toll, weil es auch ein Zitat an die Black Culture ist. Aber es ist keine Provokation, es ist in Wirklichkeit ein Klassiker.“ Dass die Modeindustrie auch gesellschaftliche Veränderung bringen kann, bezweifelt sie. „Wenn Gucci schwarze Models castet und schwarze Models auf dem „Vogue“-Cover sind, dann bedeutet das nicht viel. Das passt dann einfach zum Thema, zur Inspiration. Es ist ein Statement, um von der Presse Aufmerksamkeit zu bekommen, und das ist auch legitim. Wir können die Welt nicht verändern, wir können sie nur schöner machen.“ Österreich sei hier sowieso ein Nischenmarkt, der sich weniger an großen Trends orientiere.

Chefposten. Edward Enninful wird die britische „Vogue“ übernehmen.
Chefposten. Edward Enninful wird die britische „Vogue“ übernehmen. (c) imago/i Images

In den USA ist man da schon weiter, Designern wird hier genau auf die Finger geschaut. Zweimal jährlich veröffentlicht das Onlineportal The Fashion Spot den „Diversity Report“. Vielfalt – dazu gehören neben der Hautfarbe etwa auch Alter, Geschlechtsidentität, Körperformen – wird damit in Zahlen gegossen. 31,5 Prozent der Models, die bei 116 großen Shows im Frühjahr bei der New York Fashion Week liefen, waren nicht weiß. Zum ersten Mal war in jeder Show, die untersucht wurde, zumindest ein dunkelhäutiges Model. Trotzdem: Etwa sieben von zehn Models sind demnach noch immer weiß. Aber: Der Druck steigt auch für die Designer, vor allem in Zeiten von Social-Media-Plattformen, in der Konsumenten so einfach wie nie ihren Unmut kundtun können.

Ausblick. Ein einflussreicher Vorreiter im Kampf um mehr Diversität ist auch der in Ghana geborene Edward Enninful, der im August den Posten als Chefredakteur der britischen „Vogue“ übernehmen wird. Er zeichnete 2008 für die „Black Issue“ des Magazins verantwortlich. Die Ausgabe war so erfolgreich, dass sie sogar nachgedruckt werden musste. Für seine Verdienste, die Industrie bunter zu machen, wurde er 2016 sogar mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet. „Ein historischer Moment“, meinte auch Freundin und Topmodel Naomi Campbell.

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