Washingtoner Wohnungswunder

(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Nu, da schau her: Der Vormieter hat zwei Flaschen „Schlafly Pumpkin Ale“ im Eiskästen unserer neuen Washingtoner Bleibe hinterlassen.

Nu, da schau her: Der Vormieter hat zwei Flaschen „Schlafly Pumpkin Ale“ im Eiskästen unserer neuen Washingtoner Bleibe hinterlassen. Der Amerikaner nennt so etwas „random act of kindness“; wir Österreicher könnten uns das durchaus abschauen.

Zurück aber zur Frage, die zu erörtern wir vorige Woche gelobt haben, nämlich: Warum schaut es in amerikanischen Mietwohnungen so aus, als wären sie im Finsteren eingerichtet worden? Auf unserer Herbergsuche habe ich ein knappes Dutzend solcher Objekte inspiziert. Die Farbenzusammenstöße, die einem da zugemutet werden, lassen die bekannt gewagt kostümierte EU-Außenbeauftragte Lady Ashton wie frisch der „Vogue“ entsprungen erscheinen. Und auch die Beschaffenheit der Mietobjekte lässt mitunter erschaudern. Ein Vermieter, der entfernt an Bruce Willis mit ganz schlimmer Neurodermitis erinnerte, führte uns in einen Keller, den er verfliest und zu einer „Wohnung“ ausgebaut hatte. „Und da, in dem Schrank, habe ich eine zusätzliche Dusche montiert“, strahlte uns Schuppenflechten-Bruce an. 2625 Dollar Miete wollte er für dieses Loch, in dem man sich fühlte wie in einem deutschen Bunker am Atlantikwall (aber nach dem D-Day). Wir nickten höflich, flohen rasch, fanden in Mount Pleasant ein nettes Apartment und des Rätsels Lösung. „Ihr seid so europäisch“, sagte George, unser Vermieter, als wir meinten, wir würden gern für zwei, drei Jahre mieten. „Hier in Amerika sind die Leute bis 35, 40 ständig unterwegs. Da will keiner länger als ein Jahr mieten.“ Und so nimmt sich niemand die Mühe, seine Bude geschmackvoll einzurichten.

Was soll man da sagen? Vielleicht das, was Henry David Thoreau laut dem Etikett auf der „Schlafly Pumpkin Ale“-Flasche gesagt haben soll: „Ich würde eher auf einem Kürbis sitzen und ihn ganz allein für mich haben, als mich auf einem Samtkissen zu drängeln.“

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2013)

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