Ami, stay home!

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Vor einer Generation plärrten Amerika-Feinde „Ami, go home!“. Heute wäre es ihnen am liebsten, der Ami käme erst gar nicht.

Wer sich, ideologisch von links oder rechts kommend, schon bisher gern über „den Amerikaner an sich“ mokiert hat, für den ist die Präsidentschaft Donald Trumps ein nicht versiegender Quell weltanschaulicher Selbstbestätigung. Laut sein, derb sein, nichts als Burger und bis zur Schuhsohlenhaftigkeit durchgebratene Steaks fressen, keine Allgemeinbildung, und dann erst diese stets viel zu langen Krawatten, die vorzugsweise grellrot bis fast in den Schritt hängen: So sind sie halt, die Amis, und so einen haben sie sich an die Spitze und ins Weiße Haus gewählt. Ich muss, wenn mich das derart verdichtete Amerika-Klischee aus der fernen österreichischen Heimat hier auf meinem Korrespondentenposten in Washington anweht, an meine Interrailreise im Sommer 2000 denken. Die europäischen Sanktionen gegen die schwarz-blaue Bundesregierung hatten es in jedem Land, das ich bereiste, in die Schlagzeilen geschafft, und überall musste ich erklären, dass nicht schon wieder die SA über die Wiener Ringstraße marschiert. Wie kam ich dazu, mich im Ausland für etwas rechtfertigen zu müssen, wofür ich nichts konnte – und das, hätten sich die Horrorszenarien der Sanktionierer bewahrheitet, mich viel direkter getroffen hätte als die wohlmeinenden Frager? Ähnlich, denke ich, muss sich die Mehrheit der Amerikaner fühlen, die Trump nicht gewählt haben, wenn sie hören, dass sich das Europaparlament dafür ausspricht, eine Visumpflicht für US-Bürger einzuführen als Vergeltung für die Visumpflicht von Bürgern aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Zypern. Meinen die Europaparlamentarier, Herr Trump ließe sich davon beeindrucken (oder kümmere sich überhaupt darum, wie seine Landsleute nach Europa einreisen)? Was können amerikanische Kosmopoliten für die Visumpolitik ihres State Department? Und, utilitaristisch-eigensinnig gesprochen: Was bringt es uns Europäern, den Amerikanern das Ausgeben ihrer Dollars bei uns und das Kennenlernen unserer Lebensweisen zu erschweren? Vor einer Generation plärrten Amerika-Feinde „Ami, go home!“. Heute wäre es ihnen am liebsten, der Ami käme erst gar nicht.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2017)

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