Mein Montag

Wenn der Ohrwurm mit auf den Berg kriecht

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Warum nistet sich am Ende einer Bergtour plötzlich Ludwig Hirsch in den Ganglien ein?

Ohrwürmer gelten nicht als gute Bergsteiger. Und doch haben auch sie manchmal Sehnsucht nach einem Gipfel. Also setzen sie sich zu Beginn des Aufstiegs in den Kopf und verhalten sich zunächst ruhig. Der „Im Frühtau zu Berge wir geh'n, fallera“-Wurm meldet sich nicht, noch ist das Gehirn zu sehr mit Euphorie beschäftigt, noch hat das Arbeitsgedächtnis keine Kapazitäten frei, in denen der Wurm Musik machen kann. Doch dann kommt die erste Pause – ein paar Kekse gehen die Runde. „Was wär, gäb' ich einen Oreo einem Vampir in einer Gruselshow?“ Die nächste halbe Stunde setzt sich dieser unsägliche Werbejingle im Kopf fest. Und ja, auch Lieder, die man nicht mag, können zum Ohrwurm werden. Genauso wie Songs, die man seit mehr als 150 Jahren nicht mehr gehört hat. Warum sonst sollte „Sempre sempre sempre sempre tu“ von Al Bano & Romina Power die nächste halbe Stunde das Kommando übernehmen. Bei hoher Konzentration verschwinden sie wieder. Wenn am Klettersteig jeder Griff sitzen muss, hocken die Würmer ruhig im Hinterkopf. Klar, bei einem Absturz würden auch sie runterpurzeln. Doch kaum kommt die nächste Wanderphase, sind sie wieder da. Das kämpferische „Cliffs of Gallipoli“ von Sabaton bei einem steileren Anstieg, „Ohne dich“ von Rammstein (das Video dazu zeigt ja eine Bergbesteigung). Und wenn Euphorie und Erschöpfung auf Gleichstand sind, singt der Peter-Alexander-Ohrwurm „Ich zähle täglich meine Sorgen“. Am Ende zeigt sich Müdigkeit bei den Ohrwürmern. Spätestens, wenn Ludwig Hirschs „I lieg am Ruckn“ durch den Kopf jagt, muss man sich fragen, ob die armen Tiere bergtauglich sind. Selber schuld, ihr Würmer, ihr hättet ja nicht mitkommen müssen.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2017)

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