Mein Freitag

Nun schüttelt man das Glas noch einmal durch

(c) Clemens Fabry
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Manche Sätze liest man nur einmal, aber vergisst sie nie.

In einem Text von Botho Strauß heißt es (sinngemäß), dass es einem letztlich unverständlich bleibt, wie Menschen, die einem am Herzen liegen, nicht automatisch dieselben Melodien und Bücher, Dinge, die einem nahegehen, lieben. Der Lieblingssong löst beim anderen nur ein Achselzucken aus. Die Freundin gibt das Buch, das einen wie der Blitz getroffen hat, halb gelesen zurück und sagt, es war fad. Der schönste Blick auf Wien, da, wo man jedes Mal ergriffen ist, wie diese Stadt so zahm vor einem liegt, löst in den Freunden gar nichts aus. Außer den Satz, dass das AKH wirklich sehr hässlich ist, egal, aus welcher Entfernung.

Etwas zu mögen kann nicht erzwungen, nicht erklärt, nicht herbeigeführt werden. Beim Essen geht das. Der „acquired taste“, der erworbene Geschmack, der einen Oliven lieben lässt, obwohl man als Kind allein schon bei deren Geruch Übelkeit verspürt hat, könnte vermuten lassen, dass dies auch bei anderen Sinnen möglich wäre. Aber die Seele lässt sich nicht belehren.

Man hört sich geduldig an, warum diese eine Arie berührend ist und dieses Bild erschütternd und spürt es einfach nicht. Das hat vor allem bei der Kunst natürlich auch mit Wissen zu tun, mit Vorbildung und Verstand, aber nicht nur. Manches funkt, anderes nicht. Es gibt Assoziationen, die einem gar nicht bewusst sind, viel davon liegt in der frühen Kindheit, die man nur von Fotos kennt. Glückliche Momente, die gespeichert wurden, verknüpft mit ihren Umständen. Und unglückliche.

Nichts aber stülpt sich so über einen wie der Geruch von Schulen. Wenn man erwachsen wieder ein Schulgebäude betritt, ist sofort ein Gefühl da, fast körperlich. Bei manchen spürt es sich gut an, bei anderen beklemmend. Die eigene Schulzeit hat sich abgesetzt im Lauf der Jahre, nun schüttelt man das Glas noch einmal durch.

Allen, die aus diesen langen Schuljahren einen guten Boden machen, kann man nur danken.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2017)

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