So lange atzen, bis wir beim Katzenjammer landen

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Früher Vogel fängt den Wurm − und atzt damit den Nachwuchs. Nur was hat das mit Alkohol zu tun?

Bei Kopfschmerzen nach Alkoholkonsum an eine männliche Katze zu denken, ist nicht logisch. Und tatsächlich, mein kleiner pelziger Freund, es liegt nicht an dir. Die Überlieferung sagt, dass dahinter eine Verballhornung des Katarrhs steckt, auch wenn die Symptome nach einer durchzechten Nacht nichts mit einer Entzündung der Schleimhäute gemein haben. Und beim Katzenjammer kursiert eine Variante, dass der Begriff sich vom Kotzenjammer ableitet – auch wenn der Duden die an Wehklagen erinnernden Laute der Katzen in der Paarungszeit als Ursprung nennt. Wie auch immer, dahinter steckt, dass man wohl ein Alzerl zu viel getrunken hat – apropos Alzerl, ein Leser wies darauf hin, dass sich dieser Begriff vom Verb „atzen“ entwickelt haben könnte. Sie wissen schon – ich musste es ja erst nachschlagen –, das ist der Vorgang, bei dem Vogeleltern ihre Jungen füttern. Und weil dabei nur sehr kleine Portionen von Schnabel zu Schnabel wandern, so die Vermutung, komme man auf das Alzerl.

Über welche Wege das Füttern eines Vogels im Berlinerischen zur Bezeichnung eines Kumpels wurde, ist dann wieder eine andere Geschichte. Hierzulande sagt man ja statt Atze eher Haberer. Und der stammt wohl von der Berufsbezeichnung des Haferbauern. Hat also mit Würmern, die von Schnabel zu Schnabel wandern, nichts zu tun. Aber wir schweifen ab – das etymologische Wörterbuch sieht bei Atzung (das machen Vögel, wenn sie atzen!) eine Verbindung zu „äsen“ und auch zum „Aas“. Und spätestens beim Gedanken an einen stinkenden Kadaver, an dem sich ein paar Geier abarbeiten, wird auch der Katzenjammer wieder akut. Als Unbeteiligter gerät man dann in Versuchung, ein bisschen zu ätzen. Das kommt sprachgeschichtlich auch vom Füttern – die Säure frisst sich ja gleichsam in Metall hinein. Aber das geht jetzt schon ein Alzerl zu weit.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2017)

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