Mein Freitag

Weil vieles im Winter doppelt zählt

(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Zu Weihnachten ist alles erlaubt und Freundlichkeit mehr denn je willkommen.

Den Kindern fällt es leichter, die vielschichtigen Konstellationen im „Star Wars“-Universum zu erklären, als die Vaterschaftsangelegenheit in der Weihnachtsgeschichte zu akzeptieren. Auch nach vielen Jahren Religion in der Schule bleibt die Dreieinigkeit im Grunde ein riesenhaftes Rätsel, während sich genau dieselben Dinge verfestigen, die schon in der eigenen Kindheit unbestritten waren. Zum Beispiel: Bei Tieren lässt sich eher Frieden finden als bei Menschen. Josef spielt eine eher unglückliche Rolle. Das Christkind ist ein Mädchen. Die Heiligen Drei Könige tauchen etwas unvermutet auf. Die Koexistenz von Rentier, Elch, Weihnachtsmann, Engeln und dem Christkind ist völlig normal. Zu Weihnachten ist alles erlaubt.

Wenn man im Winter friert, ist einem genauso kalt, wie wenn man im Sommer friert, aber es fühlt sich anders an. So verhält es sich auch, wenn einem plötzlich eine unerwartete Freundlichkeit vor Weihnachten zustößt. Sie rührt einen mehr als zu anderen Zeiten, und das liegt nicht an der von Glühwein und Keksen verbreiterten Empfindsamkeit.

Ein Taxifahrer, der angesichts von Verkehrschaos und U-Bahn-Sperre die wachsende Verzweiflung merkt und den Taxometer ausschaltet. Ein Busfahrer, der die Türen noch einmal öffnet, obwohl er schon im Wegfahren war. Und lächelt. Ein Scherz in der Schlange, ein mitfühlender Blick, weil man viel zu viel durch die Gegend schleppt, eine Geschäftsfrau, die noch einmal aufsperrt, obwohl schon Ladenschluss ist.

Der Maronibrater gibt dem Kind, das sich endlos nicht entscheiden kann, ob es Bratkartoffeln will oder Maroni, ein Stanitzel mit halb-halb und legt oben noch ein paar Stücke extra drauf. Beide strahlen, gerührt von der eigenen Nettigkeit und der des anderen.
Manchmal kann alles so einfach sein.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2017)

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