Mein Dienstag

Traditionen

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Aus einer in jeglicher Hinsicht traditionsfernen Familie stammend, interessieren mich an Weihnachten sonderbarerweise die Traditionen der anderen immer am brennendsten.

Eine Freundin erzählt mir, dass sie und ihr Bruder, als sie noch Turbulenz liebende Kleinkinder waren, jedes Jahr von ihren Eltern gefragt wurden, was sie denn am Weihnachtsabend Spektakuläres essen möchten, und die Antwort der Kinder blieb schlicht und konstant: Pommes aus dem Backrohr. So kam es, dass die Eltern irgendwann zu fragen aufhörten, es gab einfach Pomfritz, und das isst die Familie heute noch am 24., ich finde das äußerst ressourcenschonend.

Andere verlassen sich auf ihren Karpfen oder auf ihre kalte Käse- und Wurstplatte, wiederum eine andere mir bekannte Familie alterniert im Dreijahresrhythmus zwischen drei verschiedenen Gerichten, was mir ehrlich gesagt eine kleine Spur zu unternehmungslustig vorkommt, denn was ist, wenn es dir in einem Jahr nach der Topfencreme vom Vorjahr gelüstet? Bei meiner Freundin, die am Heiligen Abend auch Geburtstag feiert, besteht das über den Tag verteilte Menü hauptsächlich aus Sekt und einmal aus Vogelbeerschnaps, aber wirklich nur ein Mal. Angeblich soll die Vogelbeere ja gar nicht so giftig sein, aber seit dem einen 24. Dezember glaube ich nicht daran, es handelt sich um luziferisches Gewächs, das bitte fürs Protokoll. Bei meiner Freundin habe ich oft auch den Weihnachtsabend verbringen dürfen (Raclette-Familie), es war, entgegen dem ganzen Trubel während des Tages, immer sehr besinnlich.

Bei der Familie eines Freundes kommen Schüblinge (außerhalb Vorarlbergs auch als Augsburger bekannt) auf den Tisch, allerdings musste diese Tradition mit der Veganwerdung einiger Familienjugendlicher um Sojawürste erweitert werden, nur stellte sich heraus, dass das Wurstsurrogat niemandem schmeckte, am allerwenigsten den Veganern, und so kehrte der Schübling auf den Teller zurück. In meiner Familie essen wir jedes Jahr etwas anderes, davon aber so viel, dass man sich ernsthaft überlegt, ob man nicht doch noch ein Stamperl Luziferisches von irgendwo herbekommt.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2017)

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