Mein Dienstag

Kebab, Leber und Opfer

„Schwitz koan Igel!“
„Schwitz koan Igel!“(c) APA (Guenter S. Kargl)
  • Drucken

Im Supermarkt höre ich, wie ein Mann seine Begleiterin anzischt, er sagt: „Schwitz koan Igel!“

Im Supermarkt höre ich, wie ein Mann seine Begleiterin anzischt, er sagt: „Schwitz koan Igel!“ Möglicherweise habe ich mich verhört, denn der Satz ergibt wenig Sinn, eigentlich gar keinen. Scharf und schnell ausgesprochen könnte er von Harry Potter stammen, der sich gerade in eine Zauberei hineinsteigert. Aber ich glaube, der Mann im Supermarkt war kein Magier. Also befrage ich das Internet. Dort lese ich, dass dieser Spruch „in Österreich“ tatsächlich in Verwendung sei, allerdings erfahre ich nicht, in welchem Zusammenhang. Das wäre schon gut zu wissen.

Redewendungen, über die man lange nachdenken muss – meine Lieblingsvarianten hiervon finden sich in der türkischen und persischen Sprache. Insbesondere Sätze, die ausdrücken, wie betroffen und mitgenommen man von einer Sache oder Begebenheit ist. Zum Beispiel erzählt dir jemand, dass er wegen eines unaufmerksamen Autolenkers fast einen Unfall mit seinem Fahrrad hatte. „Puh“, würdest du doch sagen, „Wahnsinn, aber Glück gehabt!“ Das geht auf Farsi natürlich nicht, das würde ja das ganze Drama verschlucken. Cigeram kābāb shod!, muss es da heißen. Sinngemäß: Meine Leber ist gegrillt worden! Aufgespießt und gegrillt wie ein Kebab, so schlecht geht es mir mit deinem Fast-Unfall, bei dem dir rein gar nichts passiert ist! Auf türkisch hört es sich nicht besser an: Ödüm koptu! Meine Galle ist zerbröselt! Zerstückelt! Zerrissen!

Dieser dramatische Unterton eignet sich für so ziemlich alle Lebenslagen, wird aber ganz besonders dann ausgepackt, wenn es um Liebe und Freundschaft geht. Sowohl auf Farsi, als auch auf Türkisch klingt ein „Ich mag dich“ oder „Du bedeutest mir viel“ eindeutig zu mild. Deine Liebe wird dir niemals abgekauft, wenn du das jemandem sagst, ohne ein ghorbānat beram oder ein kurban olayım nachzuschieben: Ich opfere mich für dich! Jemand möge mich für dich auseinander nehmen, da, nimm alles, Herz, Hose, Geld! Kurban olayım, sagt die Mama, bevor sie mich losschickt, um Eier und Öl zu kaufen. „Du übertreibst immer so“, sage ich, und gehe zu den schwitzenden Igeln im Supermarkt.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.