Von Federn und Fahrrädern

Eine Feder im Wasser.
Eine Feder im Wasser.(c) imago/blickwinkel (imago stock&people)
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Ich bin an sich kein großer Fan von Allerweltsweisheiten. Von wegen die Wege entstehen im Gehen. Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ... Sie wissen schon.

Aber nach unserer ersten Urlaubswoche hat sich einer dieser Stammbuchsprüche bestätigt: Es sind die kleinen Dinge im Leben, die zählen. Bei Kindern jedenfalls. Natürlich schadet es nicht, wenn das Hotelzimmer schön, der See groß und das Frühstücksbuffet überzeugend ist. Aber dass unser Urlaub als ein guter in die Erinnerung des Kindes eingeht, war schon am ersten Tag wegen einer einzigen Kleinigkeit klar: Das Kind hat nämlich im Hühnerstall eine prächtige, lange Feder des Angeber-Hahns, der der dortigen Hennenkompanie vorsteht, im Heu gefunden. „Eine Hahnenfeder ist etwas ganz Besonderes“, notierte das Kind sogleich mit mehreren Rufzeichen versehen im Tagebuch (der erste und einzige Eintrag während des Urlaubs). Und als wir am nächsten Tag auch noch eine Schwalbenfeder fanden, war das Urlaubsglück kaum mehr zu fassen.

Bis wir uns dann, und das war das zweitbeste Erlebnis des Urlaubs, Fahrräder ausborgten und das Kind eines mit Gangschaltung und ohne Rücktritt bekam. Daheim hat das Kind nämlich ein uncooles mit Rücktritt, sprich: Riesenfreude über das 18-Gänge-Leihrad. Auf dem konnte das Kind dann schalten und treten und schalten und treten und sich durch permanentes Zurück-Treten der Pedale davon überzeugen, dass das Rad tatsächlich keine Rücktritt-Bremse eingebaut hat. Dass unsere kleine Radtour idyllisch an einem Bach vorbeiführte, an wunderschönen Blumenwiesen mit zirpenden Grillen, das atemberaubende Berg-Panorama vor uns: All das entging dem Kind vor lauter Konzentration auf das Herumschalten der Gänge komplett. Statt über die seltenen Schmetterlinge am Wegesrand plauderten wir über die am Markt verfügbaren Gangschalt-Systeme. Falls Sie also Ihren Urlaub noch vor sich haben: Genießen Sie ihn, suchen Sie nach Vogelfedern. Und borgen Sie sich ein Rad aus! Die Wege entstehen mitunter nämlich auch im Fahren.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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