Es liegt Zeug herum

(c) Reuters (Marika Kochiashvili)
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Interessenten finden bei uns ein designtechnisch fragwürdiges Kerzen-Tannenzapfen-Ensemble, eine Figur von Queen Elizabeth, eine Marienstatue, Matrjoschka-Figurens sowie einen sprechenden Papst Franziskus.

Der Kollege kommt um die Ecke und fragt mich, ob ich Watte hätte, für die Ohren, denn die Klimaanlage hat wieder einmal die höchste Eskalationsstufe erreicht. Ja sicher, sage ich, und händige ihm einen Wattebausch aus. Das ist dann der Moment, wo du mitten im Montag ins Grübeln kommst: Warum habe ich Watte in der Schublade? Merkwürdige Dinge, die im Büro herumliegen – weiß man da eigentlich schon Näheres? Zum Beispiel tauchte vor geraumer Zeit aus einem Schrank, der bis dato nie negativ auffiel, ein schwarzes T-Shirt auf, wobei auf der vorderen Seite das Ultraschallbild eines Fötus abgedruckt war. „Wem gehört das?“, fragte die Fundkollegin, die im Übrigen eine große Packung Spülschwämme hortet, etwas erschrocken in die Runde, aber eine schlüssige Antwort ist bis heute ausgeblieben. Nicht versteckt, sondern eher offensiv zusammengeknüllt liegt irgendwo ein Morgenmantel herum, so auch eine große Packung Blumenerde, Hundespielzeug, Zuckerl mit Salzgeschmack (!) sowie ein Bauarbeiterhelm. Interessenten finden bei uns ein designtechnisch fragwürdiges Kerzen-Tannenzapfen-Ensemble, eine Figur von Queen Elizabeth, eine Marienstatue, Matrjoschka-Figuren mit den Konterfeis von Lenin bis Gorbatschow, einen sprechenden Papst Franziskus sowie einen zentralasiatischen Gebetsteppich mit Goldfäden.

Die schönste Ordnung ist die allgemeine Unordnung, in der alles seinen Platz hat. Eine andere Wahrnehmung von Ordnung unterstelle ich gerne türkischen Müttern, deren Konzept von Sauberkeit absolut niemand jemals erreicht hat, weil diese Art von Reinlichkeit nur in einer Art Vakuum im All ohne Atome bestehen kann. In den sozialen Medien sehe ich das Posting von einem jungen Mann, der ein Bild seines Zimmers postet, darunter schreibt er auf türkisch: „Meine Mutter war gerade hier und hat gesagt: Was soll diese ganze schmutzige Unordnung?“ Nur: Das Zimmer ist tipptopp aufgeräumt. Also geht der Teenager mit einem zweiten Posting der Sache auf den Grund: Von vier fein säuberlich nebeneinander aufgereihten Stiften steht der letzte Kuli um ca. 30 Grad ab. Ich sag ja: All.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2018)

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