Und dann sind wir wieder zum Bus gerannt

Die Schule fängt wieder an.
Die Schule fängt wieder an.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

„Heute Nacht hatte ich einen Albtraum“, erzählt die Freundin am Telefon, denn für ein Treffen bleibt derzeit keine Zeit, es ist ja Schulanfang, das heißt, fast so viel zu tun wie vor Weihnachten, nur ohne Punsch.

„Die Umschläge quart, farblos, waren aus und vor den Schnellheftern haben sich zwei gerauft.“ Dann habe sie geträumt, dass der Wecker läutet. Nur leider war das kein Traum. „Wir sind wieder zum Bus gerannt.“

Es geht vielen so, wenn das ein Trost ist. Man sieht sie in Scharen den Gehsteig entlang hasten, die Schulkinder und vereinzelt Eltern, trotz des Schwurs, alles am Vorabend her zu richten, beim Weckerläuten sofort aufzustehen und nicht (mehrmals) auf Schlummern zu drücken. Dann ist das Lieblingsleiberl in der Wäsche und die Milch sauer. Und die Minuten vergehen schneller als sonst.

Nicht nur die Zeit selbst, sondern auch deren Messung ist relativ. Die Minuten auf den Zeitanzeigen bei Haltestellen entstammen etwa einer anderen Galaxie, denn die Angabe „1“ dehnt sich mitunter auf reale vier Minuten, was die Hoffnung („wir schaffen das noch“) in die Anweisung kippen lässt, einen Sprint hinzulegen. Auch die angegebene Zeit auf Wasch- oder Geschirrspülmaschinen ist übrigens nicht mit Menschenzeit kompatibel. Da können „3 Stunden 37“ in zwei Stunden vergehen, aber wenn man auf das Ende des 20-Minuten-Gangs wartet, wird es draußen schon dunkel.

Das sind Dinge, über die man sich keine Gedanken machen sollte. Auch nicht darüber, warum durchaus vernünftige Menschen immer und immer wieder diese Liste in ihrer Hand anstarren und sich nicht merken können, ob nun vier Umschläge A5 oder fünf Umschläge A4 zu kaufen sind. Man will für sein Kind, dass die Unterlagen passen, damit es gut los geht, in der Schule, alles andere ist schwierig genug. Darüber redet man mit den anderen nach dem Elternabend, der endet dann übrigens wie die Weihnachtsfeier. Der September und der Dezember sind recht ungesunde Monate.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.