Gebt den Übergang zurück!

(c) Clemens Fabry
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Mein lieber Kollege Erich Kocina hat neulich an dieser Stelle gegen den Herbst angeschrieben.

Mein lieber Kollege Erich Kocina hat neulich an dieser Stelle gegen den Herbst angeschrieben. Dass dieser eine gar furchtbare Jahreszeit sei, die Tage kürzer, die Schatten länger werden, die Nasen rinnen und man wieder Tee trinken muss. So in etwa. Das kann man natürlich nicht so stehen lassen, wo Sie und ich doch genau wissen, dass der Herbst die beste aller Jahreszeiten ist. (Und Kaffee jahreszeitenunabhängig dem Tee vorzuziehen ist, aber das ist eine andere Baustelle.) Gerade nach so einem absonderlich heißen Sommer sind diese schönen Herbsttage, in denen man endlich ohne Sonnenstichgefahr im Freien Spaziergänge machen kann, wunderbar.

Kleines Problem: Wo ist denn dieser Herbst, dessen Idealbild wir aus so vielen Kinderbüchern kennen, eigentlich? Vom Fast-noch-Bikini-Wetter sind wir gefühlt direttissimo in einen frühen Winter gekippt. Oder anders gesagt: Ich will den Übergang zurück. Die dazugehörenden Jacken konnte man bisher ob der Unterkühlungsgefahr gar nicht anziehen, von 30 Grad ist man über Nacht in die Diskussionsphase mit den Kindern übergegangen: Brauchen sie morgens schon eine Haube (Elternwunsch) oder noch nicht (Kinderwunsch)? Oder trifft man sich in der Mitte bei der ästhetisch schlimmsten aller Kopfbedeckungen, dem Stirnband? Zum Radfahren in der Früh kann man eigentlich schon seine siebenschichtigen Skihandschuhe auspacken – statt dieser fingerlosen Handschuhe, mit denen sich die Maroni so gut schälen (und die WhatsApp-Nachrichten so gut beantworten) lassen und man trotzdem nicht friert.

Gebt mir meinen Herbst zurück! Ich gelobe auch, mit hochgefährlichen Handbohrern Kastanientiere zu basteln, trotz völliger Aussichtslosigkeit auf bilderbuchreifes Steigenlassen unseren Drachen in die Luft zu werfen und dem Kind zu erlauben, im Park ins Laub zu springen, trotz der in Wien nicht zu unterschätzenden Gefahr, dabei auch in einem Hundehaufen zu landen. Wenn man das so liest, scheint der fehlende Herbst gar nicht so schlimm, sagen Sie? Trinken wir darauf doch eine Tasse Tee.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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