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Hänsel, Gretel und dieses Knusperhäuschen aus Stahl

Lebkuchenhaus? Baucontainer. Schlachthausgasse 1.
Lebkuchenhaus? Baucontainer. Schlachthausgasse 1.(c) Wolfgang Freitag
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Was Grimm'sche Märchen mit „Smart Cities“, „Green Houses“ und „Wohlfühloasen“ verbindet.

Ein Schild sagt mehr als 1000 Worte? Je nun, mitunter sagt es auch ganz anderes, als es womöglich sagen will. Nehmen wir das Schild „Zum Knusperhäuschen“, Schlachthausgasse 1. Was das mit seinem Dahinter zu schaffen hat, erschließt sich bestimmt nicht auf den ersten Blick. Schließlich, Grimm'sche Märchen hin, Lebkuchenhaus her: An dem Baucontainertrumm, das sich hinter der grünen Knusperhäuschentafel erhebt, hätten sich Hänsel und Gretel zweifellos ihre Halbwaisen-Milchzähne ausgebissen.

Selbstredend ist das kuriose Hintereinander keiner böswilligen Irreführung, nur der Ironie der Zeitläufte geschuldet, verweist doch das Schild auf eine – dem Äußeren nach – putzige Gaststätte (in nicht ganz so putziger Verkehrslage), die, schon aufgelassen, im März 2017 einem Brand, wenig später den Vorbereitungsarbeiten für das Hochhausprojekt Triiiple nebenan zum Opfer gefallen ist. Weshalb sich heute an seiner Stelle besagte Baucontainer befinden und wenige Schritte weiter jene wuchtige Betonplatte über den Ostautobahnzubringer am Donaukanal wölbt, auf der sich die „Wohlfühloase“ – so das Annoncement – künftiger Triiiple-Turmbewohner ausbreiten soll: ein brutales Konstrukt, das gegenwärtig gewiss mancherlei Gefühl, doch ebenso gewiss kein Wohlgefühl verbreitet.

So Widersprüchliches ist kein Einzelfall: Wie oft verbergen sich hinter all dem „Smart City Living“, den blumig verheißenen Träumen von städtischem Grün und Ressourcenschonung einzig und allein Zigtausende Tonnen Beton, Glas und Stahl. Als wären die wohlklingenden Etiketten rund um Nachhaltigkeit und Ökologie nichts weiter als Knusperhäuschenschilder vor stählernen Baucontainern, als wäre unser Gerede von „Green Houses“ und Umweltfreundlichkeit bloß ein Märchen. Nur nicht eines von den Brüdern Grimm . . .

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2018)

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