Range Rover: Wahrzeichen über den Dingen

Range Rover Wahrzeichen ueber
Range Rover Wahrzeichen ueber(c) AP (Uncredited)
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Chalet, Stadtpalais: Der Range Rover ist oberster Vertreter einer Gattung, in der er letztlich allein geblieben ist. In der Pracht seiner vierten Generation steht er auch für das Revival des englischen Autobaus.

Wie konnten SUV nur zu diesen plumpen, ungeschlachten Gestalten werden, wie sie heute die Straßen bevölkern, wenn doch ihr Urahn schon die richtige Linie vorgezeichnet hat? Der Range Rover von 1970 war ein luxuriöses Auto, mit dem man sich auch in schwieriges Gelände wagen konnte, was die Grundidee des Genres ist. Stand dann so einer in der Stadt, mit Dreckspritzern bis zur Dachkante und einem halben Feldweg in den Stollen, strahlte er immer noch Noblesse aus, man dachte an einen leicht patinierten Herrensitz, Pferdeanhänger im Schlepptau und, für die anglophile Note, Fünfuhr-Baileys und Tweed-Sakko. Was, bitte, lässt sich Schönes zu einem Porsche Cayenne denken?

Der Range gehört zu jenen Autos, die aus ihrem Blechkleid geschlüpft sind, um für etwas Größeres zu stehen. Wahrzeichen des Empire in Stolz und Überheblichkeit. Spätblüte englischen Autobaus. Unverhohlenes Statement von Reichtum. Unschuldige Verehrung: Um in Zeiten des CO2-Bashing für seine 2,5-Tonnen-Maßlosigkeit an den Pranger gestellt zu werden, blieb er eine zu seltene Sichtung auf unseren Straßen.

Für ein solches Kaliber ist ein Generationswechsel keine kleine Sache. Der Zeitpunkt jedenfalls war günstig: Die Gruppe Jaguar Land Rover, die Ex-Eigentümer Ford nicht rechtzeitig in Form gebracht hatte und schließlich an Tata verkaufte, hat bereits wieder Fahrt aufgenommen und macht den indischen Eigentümern mit operativen Gewinnen viel Freude. Allein Land Rover verkauft derzeit 300.000 Autos im Jahr, und seitdem sich auch das Einstiegsmodell Freelander gemausert hat, bewegt man sich zur Gänze im profitablen Premiumsegment.

Der Ruch inferiorer Bau- und Verarbeitungsqualität, der den Engländern vielleicht noch hartnäckiger anhaftet als den Italienern, will man bald ganz vergessen machen – eingekauft wird bei den besten Zulieferern des Gewerbes, in den meisten Fällen in Deutschland. Der hohe Pfundkurs ist dabei sogar eine Hilfe. Momentan fehlt uns bloß noch etwas die Fantasie, wie man mit einer Palette aus lauter Luxus-SUVs mittelfristigen CO2-Regimen begegnen will, ohne in Sanktionsgemetzel zu geraten.

Strenge Alu-Diät


Aber das Projekt ist in Arbeit, und das recht effektiv: Nach dem Range Rover Evoque, der erstmalig vom 4 x 4-Mantra der Marke abweicht, probt nun Big Daddy eine Diät durch das erste komplette Alu-Chassis eines Full-Size-SUV. Gesamte Gewichtsreduktion laut Hersteller: bis zu 420 Kilogramm. Zusammen mit der Premiere eines Diesel-V6 errechnen sich herzeigbare elf Prozent NoVA bei 7,5 Liter laut Norm, kein schlechter Auftakt für die stilistisch überaus geglückte vierte Generation.

Der kleine Diesel, wehrhaft mit auch immerhin 258 PS und 600 Nm, ist ein absolut passabler Antrieb für den Range. Aber das große Kino liefern freilich die Achtzylinder. Der 4,4 Liter große Diesel-V8 mit 700 Nm und 339 PS ist ein Tier von einer Maschine. Unauffällig im Dahinschnurren, ergreifend klanggewaltig und durchschlagend im forcierten Antritt. Vorbehaltlich des neuen Diesel-V8 im Porsche Cayenne ist nichts Vergleichbares auf dem Markt. Immer verehrungswürdig: der 5,0-Liter-Kompressor-V8 mit 510 PS, quasi Motoren-Hochadel. Die geringen Windgeräusche jenseits der 200 km/h stellen übrigens auch den aerodynamischen Qualitäten des Autos ein exzellentes Zeugnis aus.

Offroad-Puristen mag es quälen, was Amateure im Gelände mittlerweile zustande bringen: Die Elektronik bündelt die technischen Komponenten (zwei Differenzialsperren, Untersetzung, Luftfederung mit Niveauregelung) zu einer höheren Deppensicherheit, die einem auf Sanddünen ebenso sicheres Weiterkommen gewährt wie beim Klettern auf Felsen. Highlight: die spektakuläre Achsverschränkung.
Die Einzigartigkeit von noblem Auftritt, Thrills im Gelände und verfeinertem Schweben in einem der schönsten Interieurs, die derzeit gestaltet werden, lässt die Zahl der direkten Konkurrenten auf ein kompaktes Maß schrumpfen: null. Leider: Selten hat es sich mehr gelohnt, reich zu sein – erst über 100.000 Euro geht es langsam los.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2012)

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