Bukarest: Kunst in der Markthalle und im Parkhaus

Künstler wie Vasile Muresan (50) bringen in Bukarest ihre Ateliers in alten Nutzbauten wie Garagen oder Markthallen unter, andere verwandeln alte Wohnbauten in Locations für Workshops, Events und Projekte.
Künstler wie Vasile Muresan (50) bringen in Bukarest ihre Ateliers in alten Nutzbauten wie Garagen oder Markthallen unter, andere verwandeln alte Wohnbauten in Locations für Workshops, Events und Projekte.Sascha Rettig
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Auch eine Art, Häuser zu retten: Abbruchbauten in Kunsthallen und Ateliers umzubauen und die Miete mit Events, Projekten und Galerien zu verdienen. Ein Entdeckungsstreifzug durch die rumänische Hauptstadt.

Erst hört man das Bellen einiger Hunde. Dann schaut Vasile Muresan vom Balkon herunter. Ein Mann Mitte 50, mit langem Rauschebart und in diesem Moment noch nackt. „Künstler eben“, denkt man, doch schon steht der Maler bekleidet vor der Haustür, um einen Einblick in sein Atelier zu geben. In dem Gebäude stapeln sich großformatige Gemälde. Während sein Hunderudel einige blutige Knochen zerkaut, erzählt der Maler in sprudelndem Redefluss über seine Kunst, über Ausstellungen im Ausland und über die Bilder, die er in den Farben des Regenbogens von unten nach oben malt, weil der Regenbogen die Verbindung zwischen den Menschen und dem Göttlichen sei. Es handelt sich oft um abstrakte Eindrücke aus Bukarest oder Paris. Und immer wieder sind nackte Männer mit langen Bärten und umgeben von Hunden darauf zu erkennen. Ob er sich da etwa selbst malt? „Nein“, winkt er ab. „Ich gleiche mich der Person in meiner Imagination an.“ Immer mehr Bilder zieht er hervor in seinem Atelier, einer ehemaligen Markthalle inmitten sanierungsbedürftiger Häuser. Obwohl das Gebäude zentral liegt, verirren sich kaum Touristen hierher, dabei ist die Altstadt nur eine Verkehrsader weit entfernt. Vielerorts in Bukarest und oft, wo man es nicht erwartet, machen Künstler die Stadt zu ihrer Leinwand. Etwa in dem alten, grauen Parkhaus Ciclop, das zu den ersten mehrstöckigen Parkhäusern der Stadt gehörte. Lange Zeit stand es leer, bis die Rotunde zur Kunstgalerie wurde. Davon bekommt man erst eine Ahnung, wenn man das Bild entdeckt, das sich über mehrere Etagen als erster Blickfang zeigt. Entlang der Auffahrt folgt man einem Parcours mit temporären Kunstwerken, Skulpturen, Graffiti und Malereien. Wie lange das Parkhaus eine Galerie sein wird? Schwer zu sagen.

Tiere mit großen Augen

„In der alternativen Kunstszene der Stadt verändert sich alles sehr schnell“, sagt Stefan Munteanu, der zusammen mit Simona Sandu für Touristen Streifzüge durch das (kunst-)alternative Bukarest veranstaltet. Vieles entsteht und verschwindet schnell wieder. Es ist ein wilder Spirit, der an Berlin nach der Wende erinnert. Einen Überblick über alles Neue zu bekommen, ist nicht so einfach. Vieles läuft über die sozialen Netzwerke. „Ein zentrales Künstlerviertel gibt es nicht“, erklärt Munteanu. „Die Kunst verteilt sich über die ganze Stadt.“

Genauso wie die Street Art in der Altstadt, die vor Kurzem aufgelebt ist. „Vor wenigen Jahren war das hier eine ärmliche Wohngegend“, sagt der Historiker Bogdan Popa, der in seinen Führungen den aufregenden Architekturmix der Stadt präsentiert. „Das war keine Gegend, in der man nachts unterwegs sein wollte.“ Binnen Kurzem sei das Zentrum neu belebt worden: Eine Fußgängerzone ist entstanden. Bars, Cafés und Restaurants öffneten reihenweise. Heute brummt das Viertel mit viel alter, geretteter Bausubstanz.

Die rasanten Veränderungen ließen im Vorjahr zahlreiche Straßenkunstwerke verschwinden, doch stößt man immer noch an vielen Ecken auf Street Art, die auch in Bukarest populär wurde. Die Protagonisten, oft studierte Künstler oder Architekten, geben ihre Identität natürlich selten preis. Eine von ihnen ist eine junge Frau, deren Lieblingsmotive Tiere mit großen Augen sind. „Sie will die Stadt ein bisschen schöner machen“, sagt Munteanu. Allan Dalla, dessen Name so viel wie Chaos bedeutet, gehört zu den Stars der Graffiti- und Street-Art-Szene. Mit seinen Sprühwerken, die mit geometrischen Formen spielen, füllt er auch größere Wände. Und wer ist der Schöpfer des comicartigen Mannes ohne Lippen, dessen Sprechblasen kryptische Botschaften wie „Japanese People are like aliens“ in der ganzen Stadt verbreitet? Das ist bis heute ein Geheimnis.

So wie in der Altstadt wurden an vielen Stellen Bukarests historische Gebäude restauriert. Einige aber verfallen wegen fehlender Mittel einfach. Das war auch am Boulevardu Carol 53 so, wo bis vor Kurzem eine 100 Jahre alte Villa sich selbst überlassen blieb. Auf das Gelände gelangt man durch ein altes Eisentor. Ist es geöffnet, darf man eintreten. Drin verbirgt sich das Projekt einer neunköpfigen Gruppe junger Architekten und Künstler. Ehrgeizig verfolgen sie ein Ziel: Zeichen setzen, Initiative zeigen und zumindest Teile der alten Bausubstanz und des historischen Erbes der Stadt retten, obwohl sie dafür kein Geld haben. Das Haus, das sie sich für ihr Vorhaben ausgesucht haben, wurde 2009 renoviert. Doch irgendwann stoppte die Arbeit, kurze Zeit später waren die Holzböden herausgerissen und die Leitungen geklaut. „Als wir dann 2012 hier reinkamen, gab es nur Müll, Ratten, es regnete herein“, erinnert sich der 27-jährige Ovidiu Dima, einer der Architekten. „Es gab nicht einmal Strom.“ Mittlerweile geht die Sanierung aber voran.

Die Wände, die in der Ceauşescu-Zeit die großen Zimmer in mehrere kleine teilten, wurden wieder herausgerissen. So schuf man auf den insgesamt 750 Quadratmetern des Hauses Platz für Kunstprojekte und Ausstellungen, Weinproben und Konzerte, Foto- und Videoshootings – und Workshops im ersten Stock, einen herrschaftlichen Treppenaufgang höher. „Die Aktionen sollen so viel einbringen, dass das Vorhaben finanziert werden kann“, sagt Dima. Der Vertrag mit dem Eigentümer läuft noch ein Jahr, die Architekten hoffen aber auf eine Verlängerung von zehn Jahren. Wenn der Plan aufgeht, wollen sie auf diese Weise weitere Häuser retten und darin Kulturzentren installieren, um die Szene zu verbessern. „Viele sagen, das sei sehr idealistisch. Und idiotisch“, lacht er.

Streetlife, Street Art in Bukarest

Essen. Das Caru' cu bere ist eine Bukarester Institution – es wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet. Mit seinem rustikalen Interieur und den traditionellen, deftigen Speisen ist es wie die rumänische Antwort auf ein bayerisches Brauhaus. carucubere.ro
Auch auf einen gehobenen Italiener muss man nicht verzichten: Im Restaurant Bellini gibt es Pasta- und Fleischgerichte und knusprige Pizze. http://bellini.ro/
Im coolen postindustriellen Pub Biutiful in einer schnuckeligen Fußgängerzone im Zentrum ist das Publikum jünger, schöner und reicher, die Atmosphäre aber trotzdem entspannt wie in allen anderen angesagten Lokalen von Fratelli Social Events in Rumänien. Bier, Burger, Tacos, Burritos, Spareribs, Salate und großartige Desserts. 6–8 Gabroveni Street, biutifil.ro

Schlafen. Das moderne Viersternehotel Europa Royale Bucharest eignet sich gut für das Erkunden der Stadt: Die Altstadt liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, auch eine U-Bahn-Station ist nur zwei bis drei Gehminuten entfernt.
hotelroyalbucharest.ro/en/
Deutlich kleiner ist das fast familiäre Rembrandt Hotel mitten in der Altstadt. Gehobene Mittelklasse, stilvoll eingerichtete Zimmer, sehr freundliches und hilfsbereites Personal. http://rembrandt.ro/
Eine luxuriöse Alternative ist das Epoque Hotel: ruhig, aber zentral gelegenes Fünfsternehotel mit exklusiver Einrichtung, Spa-Bereich, Swimmingpool und Fitnessraum. hotelepoque.ro/
Tour durch das alternative Bukarest über opendoorstravel.com. Stadttouren buchbar über citycompass.ro
Die Reise wurde unterstützt vom Rumänischen Touristenamt und City Compass Tours & Events.

Anreise. Ab Wien direkt nach Bukarest, beispielsweise mit Austrian Airlines ab 90 Euro oder mit Tarom ab 100 Euro. austrian.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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