Wandern mit Tieren: Immer dem Lama nach

Lama
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Es springt, tänzelt, galoppiert oder trottet einfach dahin. Und es kümmert sich gar nicht darum, wohin seine Mitwanderer wollen. Ein Lama ist ein etwas unberechenbarer Trekkingpartner – und das macht die Sache spannend.

Dandy ist ein alter Herr. Als wir uns kennenlernen, raunzt er vor sich hin. Eigentlich klingt es ein bisschen, als ob eine Tür knarrt. Aber das sanfte Murren ist ein Ausdruck der Freude. Dandy ist ein 18-jähriges Lama. Und er erwartet uns mit seinen jüngeren Artgenossen Cesar und Tornado auf einer Anhöhe über Werfenweng im Bundesland Salzburg.

Der Ausblick auf den verschneiten Hochkönig interessiert ihn nicht. Und auch uns straft er eher mit Nichtbeachtung. So ein Lama wirkt irgendwie distanziert, ein bisschen von oben herab. Vielleicht ist es auch einfach die Größe. Ich muss aufschauen zu Dandy. Und erst Paula: Die Sechsjährige reicht dem Lama gerade mal bis zum Rücken. Wir treffen uns mit Gerhard Hafner, dem Besitzer der Tiere, zum Lama-Trekking. Nach ein paar Sekunden vergisst Paula ihre Scheu. Sie nimmt Dandys Leine, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre, und führt ihn.

Oder führt Dandy sie? Als es losgeht, biegt das Lama gleich mal links ab – dorthin, wo es nach Hause geht. Der alte Herr ist ja nicht dumm. Aber Paula stemmt sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen und zieht in die andere Richtung. Dass Dandy schließlich umdreht, hat weniger mit Paulas Kraft zu tun als mit dem Herdentrieb. Tornado und Cesar beginnen Richtung Wald zu trotten, Dandy schließt sich an.

Doch wir kommen nicht weit. Nach 100 Metern haben wir den Wald erreicht, die Lamas wollen erst mal fressen. Sie zupfen sich ein Brombeerblatt, das aus dem Schnee lugt, und naschen an Fichtennadeln. Wir warten, bis sie genug haben und gehen weiter. So verläuft die ganze Wanderung. Die Tiere geben den Takt vor, wir folgen. Unter Trekking stelle ich mir etwas anderes vor. Es ist eher ein Stop-and-go. Aber es ist nett, besonders mit Kindern. Die reißen sich um die Leine und wollen sie nicht mehr loslassen.

Gerhard Hafner, Hüttenwirt auf der 1.969 Meter hoch gelegenen Werfener Hütte am Fuße des Hochthrons im Salzburger Tennengebirge, hat vor 14 Jahren seine ersten Lamas gekauft: Dandy und Valentino. Er wollte sie als Tragtiere für die Hütte verwenden. Der Verkäufer, ein niederösterreichischer Züchter, war damals sehr skeptisch. Mittlerweile schleppen die Lamas in der warmen Jahreszeit nicht nur Lebensmittel auf die Hütte, sondern auch Rucksäcke von Wanderern.

Bis zu 30 Kilogramm lädt Gerhard auf seine Tragtiere. „Am Anfang haben wir die Last oft verloren“, erzählt er. Im felsigen Gelände spielen die Lamas nämlich ihre Geschicklichkeit so richtig aus. Sie ziehen nicht auf dem markierten Steig nach oben, sondern suchen sich ihren eigenen Weg. Und der kann schon mal kreuz und quer über die Felsen führen. Wenn das Gepäck am Rücken nicht ordentlich festgebunden ist, dann fliegen die Taschen und Rucksäcke schon mal durch die Gegend.

Valentino ist im Vorjahr gestorben. Lamas werden zwischen 18 und 20 Jahre alt. Deshalb hat Gerhard junge Tiere gekauft. Der eineinhalbjährige Cesar ist seit Dezember in Werfenweng, der fünfjährige Tornado – ein echtes Springinkerl – seit August. Mit einem Satz springt Tornado ohne Anlauf eine gut einen Meter hohe Böschung hinauf – ohne Vorwarnung. Gut, dass Gerhard das Seil festhält. Obwohl er erst ein paar Monate im Pongau ist, hat es Tornado schon zu einiger Berühmtheit gebracht. Im Herbst ist er über den Zaun seines Geheges gesprungen und ausgebüchst. Auch Dandy gönnte sich einen unerlaubten Ausflug. Aber während das ältere Tier von selbst wieder heimkam, lief Tornado die gut zehn Kilometer bis zur Autobahn, lieferte sich ein kleines Wettrennen und konnte schließlich über die Abfahrt Pfarrwerfen vertrieben werden. Erst nach Tagen ließ sich Tornado wieder einfangen und zu seinem Besitzer zurückbringen.

Man muss aufpassen

Bei uns gibt er den Braven, geht ordentlich mit. Doch zu trauen ist ihm nicht. Während Dandy sich scheinbar durch nichts beunruhigen lässt, ist der junge Tornado nervös. Beim kleinsten Geräusch legt er die Ohren zurück und ist bereit zur Flucht. Jeder Vogel, der aus dem Gebüsch fliegt, jeder Hund, der vorübergeht, erschreckt ihn. Gerhard muss ganz schön aufpassen, dass er in so einem Schreckmoment nicht abhaut. Er hält die Leine relativ kurz, um ihn im Fall des Falles zu stoppen.

Schön langsam nähern wir uns dem Dorf. Für die Einheimischen sind die Lamas, die sich wie sehr große Hunde an der Leine führen lassen, nichts Besonderes mehr. Die Touristen staunen, als sie unsere kleine Karawane sehen. Die Lamas wiederum würdigen sie keines einzigen Blickes. Sie haben etwas anderes im Auge: Vor einem Einfamilienhaus stehen zwei große Töpfe mit Buchsbaum. Für die drei, die im Winter hauptsächlich Heu bekommen, ein willkommener Leckerbissen. Die Lamas rupfen die frischen grünen Blättchen von den Zweigen und hinterlassen kahle Stellen. Als wir weitergehen, sieht es aus, als ob sie zufrieden lächelten.

Vorbei ist die Liebe

Irgendwann erschrickt Dandy plötzlich und springt zur Seite. Paula liegt am Boden, am Knie und am Handgelenk gibt es Kratzer, das Kind heult. Vorbei ist die Liebe, jetzt trottet sie beleidigt dem Tross hinterher. Die Leine von Dandy will sie bis zum Schluss nicht mehr halten. Erst als die Lamas wieder mit Sicherheitsabstand in ihrem Gehege sind, erwacht ihr Interesse wieder. Große Tiere sind eben große Tiere. Sie können beißen, treten, rennen. Da heißt es immer aufpassen, auch wenn sie sich das kuschelige Fell gerne streicheln lassen.

Je näher wir dem Stall kommen, desto mehr legen die Lamas an Tempo zu. Zumindest Dandy würde jederzeit auch von alleine wieder heim finden. Er hat uns seine Überlegenheit bei Kraft, Geschwindigkeit – immerhin laufen Lamas gut bis zu 50 Stundenkilometer – und Trittsicherheit nur ein ganz kleines bisschen fühlen lassen. Wahrscheinlich wollte er uns den Spaß nicht verderben und uns in der Illusion lassen, dass wir ihn führen und nicht umgekehrt. Er ist schließlich ein alter Herr mit viel Erfahrung. Normales Wandern oder doch Lama-Trekking? „Mit den Lamas ist es weniger beschwerlich“, befindet Paula: „Die bleiben immer stehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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