Hotels inside: Ein Mann für alle Fälle

Concierges sind die guten, diskreten und verschwiegenen Geister eines Luxushotels, die schon einmal Autos wie ein Geschenk verpacken.

Paris. Wenn Philippe Lesigne einen Satz wirklich liebt, dann lautet dieser: „Wir haben da ein Problem.“ Was nicht bedeutet, dass er sich freut, wenn seine Mitmenschen in Schwierigkeiten stecken. Ganz im Gegenteil: Der 52-jährige Franzose zählt zu einem kleinen Kreis von Auserwählten, deren vornehmste Eigenschaft darin besteht, Probleme zu lösen. Der freundliche Mann mit dem runden Gesicht ist seit 22 Jahren Chef-Concierge im altehrwürdigen Pariser Luxushotel Intercontinental Le Grand, das 2012 seinen 150. Geburtstag feierte.

Ein Concierge ist so etwas wie die Seele des Hauses. Nach landläufiger Meinung kümmert er sich mit seinen Mitarbeitern ums Gepäck der Gäste oder ruft das Taxi zum Flughafen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. „Diese Aufgaben sind Routineangelegenheiten. Zur Hochform laufen wir erst auf, wenn es komplizierter wird“, sagt er. „Zum Beispiel wenn jemand eine Karte für ein seit Langem ausverkauftes Konzert möchte. Oder eine Museumsführung, obwohl die Sammlung offiziell geschlossen ist.“ Richtige Herausforderungen sind die meist spontan geäußerten Wünsche nach dem Motto: „Ach, bitte schön, könnten Sie für unsere Hochzeitsgesellschaft acht historische Kutschen für ein Picknick an der Seine organisieren?“ Auch der Wunsch, das Auto zum Geburtstag der Frau als Geschenk zu verpacken, sollte für den erfahrenen Concierge erfüllbar sein.

Schwierig gestaltete sich auch das Jahrestreffen eines asiatischen Konzerns, der für ein Bankett die Firmenflaggen für die Tischdekoration und viele weitere Unterlagen vergessen hatte. „Das war zu einer Zeit, als das Internet noch nicht wirklich existierte. Da mussten wir das Firmenlogo aufwendig recherchieren, mit Grafikern, Werbeagenturen und einer Druckerei konferieren und dann in einer Nachtschicht das Logo originalgetreu herstellen.“ Wenige Minuten, bevor die Veranstaltung eröffnet wurde, kam die ersehnte Lieferung per Kurier.

Das zehnköpfige Team um Monsieur Lesigne, alle beherrschen mindestens zwei Fremdsprachen fließend, hat im Lauf der Jahre mit Fleiß, Beharrungsvermögen und Organisationstalent ein dichtes Netz aus Informanten gesponnen, alle nur denkbaren Quellen angezapft und schließlich ein dickes schwarzes Buch mit Namen, Adressen und Telefonnummern vervollständigt. „Unser Kapital“, lächelt er und nennt es „die Bibel“, die wie ererbter Familienschmuck von Chef-Concierge zu Chef-Concierge weitergereicht wird. Philippe Lesigne hat sie von seinem Vorgänger Gilles Herrault erhalten, der damals nach fast 40 Jahren in Rente ging.

Der Beruf des Concierge hat im Lauf der Geschichte eine Wandlung durchgemacht. Ursprünglich verstand man unter einem Concierge den königlichen Haus- und Hofverwalter, der die Schlüsselgewalt innehatte und verschiedene Aufsichtsfunktionen gegenüber Pförtnern und Schildwachen in der Burg oder im Schloss ausübte.

Pariser Hausmeister

Später, als viele der Wehranlagen zu Gefängnissen umgewandelt wurden, avancierte er zum Gefängnisaufseher mit Leitungsfunktion. Nicht mit dem Concierge im Luxushotel zu verwechseln ist der klassische Pariser Hausmeister, der ebenso Concierge genannt wird. Was muss ein guter Hotel-Concierge können, um seinen Job erfolgreich – und das heißt immer zur Zufriedenheit der Gäste – auszuüben? „Wir nehmen aktiv Anteil am kulturellen und sozialen Leben unserer Stadt. Wir lesen täglich mehrere Zeitungen, Magazine, bekommen Tipps von Freunden. Wir müssen immer up to date sein, was Filme, Theateraufführungen, Konzerte, Restaurants, Bars und Museen angeht. Selbstverständlich nutzen wir auch das Internet.“ Bei den Stammgästen wird ohnehin penibel Buch geführt. Ein guter Concierge kennt die Vorlieben, Marotten und kleinen Schwächen seiner Gäste, ist aber stets diskret, verständnisvoll und verschwiegen. Und das nicht nur bei Prominenten wie Leonardo DiCaprio oder Tennisstar Rafael Nadal, der schon einige Geburtstage im Haus gefeiert hat.

Wenig überraschend, dass die Concierges der Hotels einander helfen. „Wenn ich bei einer Recherche nicht weiterkomme oder eine bestimmte Telefonnummer brauche, kann ich sie auch von einem Kollegen in einem anderen Hotel bekommen“, beschreibt Monsieur Lesigne den „kleinen Dienstweg“, den man manchmal beschreiten muss.

Zwar konkurrieren die Luxusherbergen miteinander, jedoch existiert auch eine Art Ehrenkodex. „Die meisten von uns sind entweder Absolventen einiger weniger Concierge-Schulen wie der FPE in Toulouse oder gemeinsam in der Vereinigung Les Clefs d'Or organisiert.“ Der Goldene Schlüssel hat rund 4500 Mitglieder in 34 Staaten. Erkennungszeichen sind die zwei vergoldeten übereinandergekreuzten Schlüssel, die der Concierge am Revers trägt.

Monsieur Lesigne liebt die Arbeit in „seinem“ Hotel. Und hat seine Prinzipien: „Ich würde nie in einem neu eröffneten Haus arbeiten. Das hat keine Geschichte, keine Ausstrahlung, keine Seele.“ Das kann man von seinem langjährigen Arbeitsplatz gegenüber der Pariser Opéra Garnier nicht behaupten. Das Haus ist nicht nur wegen des Restaurants Café de la Paix legendär, wo sich die Pariser Boheme von Emile Zola bis Sarah Bernhardt traf, sondern war im 19.Jahrhundert auch für die gewaltige Eingangshalle berühmt. Adelige und Großbürger fuhren standesgemäß mit ihren Pferdekutschen bis zur Rezeption. Heute rollen andere Kutschen an, mit wesentlich mehr Pferdestärken. (Andreas Srenk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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