Turin: Von Caffè zu Caffè

Die Murazzi, am Abend geht hier die Post ab.
Die Murazzi, am Abend geht hier die Post ab. Imago
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Turin hat viel zu bieten, doch es bedrängt den Besucher nicht, bloß Sights abzuhaken. Der Flaneur schätzt das historische Stadtbild – und die vielen Stopps.

Fast jedes der bekannten Cafés rühmt sich der Erfindung irgendeiner Spezialität. Unter den Kaffeehäusern der piemontesischen Kapitale gehört das 1875 gegründete Baratti & Milano mit kleiner Speisekarte noch immer zu den Topadressen. Die Turiner Schickeria kommt gern auf Prosecco und Austern. Piazza Castello 29. www.barattiemilano.it

Ein paar Haustüren weiter präsentiert sich mit nur einer Handvoll Tischen das verspiegelte Mulassano wie ein Schmuckstück aus alten Zeiten. Die Brüder Mulassana wurden 1925 durch ihre in Italien noch immer beliebten Tramezzini stadtweit bekannt. Piazza Castello 15. www.caffemulassano.com

Die hohen Politiker zur Zeit der Vereinigung Italiens und auch Nietzsche zogen den eher schlichten Stil des Fiorio und sein spezielles Nougateis vor. Das Café rühmt sich, in den 1920er-Jahren das Waffeleis erfunden zu haben. Im Obergeschoß kann man seinen Hunger bei einem kleinen Menü nach antiken Rezepten zu annehmbarem Preis stillen. Via Po 8. www.caffefiorio.it

Im San Carlo, von jeher Begegnungsstätte von Intellektuellen und Künstlern, hält man darauf, Europas erstes gaserleuchtetes Lokal Europas gewesen zu sein. 1852 soll dort Alexandre Dumas seinen ersten Bicerin getrunken haben. Das italienische Königshaus hatte ein Faible für das Caffè Torino mit seiner kunstvollen Wendeltreppe, die zu den oberen Restauranträumen führt. In den 1960er-Jahren hat dort neben Brigitte Bardot die Hollywood-Prominenz Champagner und Barolo geschlürft. Heute kommen die Gäste vor allem auf einen Cappuccino und ein Stück Kuchen aus Eigenproduktion vorbei. Piazza Castello 204. https://m.facebook.com/CaffeSanCarloTorino

Einfacher, aber gemütlich nimmt sich das gegenüberliegende Neuv Caval D'Brons aus. Sein von der italienischen Food-&-Wein-Mediengruppe Gambero Rosso ausgezeichnetes Gebäck und Konfekt stehen konkurrenzlos da. Piazza San Carlo 156. https://de-de.facebook.com/Neuv-Caval-d-Brons-Torino

In der Gelateria Pepino erfand ein Neapolitaner in den 1930er- Jahren das Eis am Stiel, Pinguin genannt – damals eine Sensation. Es lohnt sich auch heute. Mittags werden zudem schmackhafte Reisplatten und Pastagerichte angeboten. Piazza Carignano 8. www.gelatipepino.it

Ein (auch preislich) unvergessliches Mahl bietet das Del Cambio. In den heiligen Hallen der Turiner Gastronomie hat schon der berühmte Politiker des Risorgimento, Cavour, gegessen. Dessen stark nachgefragter Tisch ist mit einer Plakette gekennzeichnet. Piazza Carignano 2. www.delcambio.it

Im Feinschmeckerlokal San Tommaso 10, das im Besitz des Kaffeeunternehmens Lavazza ist, kommt nicht nur der Gaumen, sondern auch das Auge auf seine Kosten. Die zum Lokal gehörige Bar hat über 25 Kaffeekombinationen einschließlich Bicerin im Angebot. Via San Tommaso 10. www.lavazza.at/at/lavazza-world/san-tommaso10

Ganz wie zu Hause isst man im Le Vitel étonné – schlicht und mit nur wenigen Tischen. Man ordert ein zünftiges Bier und das beliebte französische Gericht Kalbfleisch in Thunfischsauce, das dem Lokal seinen Namen gab. Nebst vielen anderen piemontesischen Spezialitäten. Moderate Preise. Via San Francesco di Paola 4. www.leviteletonne.com

Und danach? Obwohl die Murazzi, die Kaimauern am Westufer des Po, an Prestige verloren haben, spielt sich dort in den einstigen Lagerräumen noch immer reges Nachtleben mit Bars, Discos und Clubs ab.

Zum Shopping geht's in die langen Arkaden, die unter den Savoyern errichtet worden waren. Oder zum Markt: Unter den vielen Allroundmärkten sollte man den Porta Palazzo an der Piazza della Repubblica mit seinem uferlosen Angebot nicht verpassen. Jeden zweiten Sonntag findet in der Via Borgo Dora und Umgebung der viel besuchte Gran Balon mit Möbeln, Büchern, Kleidung und Antiquariat statt.

Europaweit einmalig ist das Museo Nazionale Del Cinema in der Mole Antonelliana, dem Wahrzeichen von Turin. In diesem pavillonartigen Bau mit dem markanten hohen Aufsatz von Alessandro Antonelli befinden sich 14.000 Plakate, 120.000 Werbematerialien und 6000 Ausstellungsstücke samt optischen Kästen aus der Pionierzeit des Kinos über vier Etagen verteilt. Die Fahrt mit dem verglasten Lift bis zur 167 Meter hohen Aussichtsterrasse des Mole ist ihren Preis wert, Via Montebello 20. www.museocinema.it

Das Museo Egizio (Ägyptisches Museum) besitzt mit 30000 Exponaten nach dem Museum in Kairo die bedeutendste Sammlung ägyptischer Altertümer der Welt, darunter die Skulptur von Ramses II. Via Accademia delle Scienze 6.

www.museoegizio.it
www.turismotorino.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 1.4.2017)

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