Schön aromatisch: Ly Son, ein Königreich voll Knoblauch

Ein Blick aufs Meer am Strand von Ly Son
Ein Blick aufs Meer am Strand von Ly Sonwww.vietnamtourism.com
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Ein Vampir würde von einem Besuch der Insel wohl Abstand nehmen. Jeder verfügbare Millimeter wird hier mit der Knolle bepflanzt.

Ly Son und die kleine Nachbarinsel Cù Lao Bãi sind beliebte Tourismusziele – allerdings nur bei Einheimischen, denn bis vor Kurzem waren die Inseln noch für Ausländer gesperrt. Auf manchen Reise-Apps scheinen sie gar nicht erst auf, Informationen zur Anreise sind auf Englisch schwer zu finden. Und ohne die Empfehlung eines Hotelbesitzers in Da Nang wären wir wohl nie auf die Idee gekommen, hierher zu fahren, auf diese kleine schöne Insel, auf der jeder verfügbare Millimeter mit Knoblauch bepflanzt ist: Er wuchert zwischen Straße und Hausmauer, säumt den Schulweg der Kinder, selbst die Grabmäler am Friedhof sind von Knoblauch umzingelt.

Im Hafen von Sa Ky startet zweimal täglich ein Speedboat ins sogenannte Königreich des Knoblauchs. Die erste Möglichkeit um ungefähr acht Uhr ist schon zu spät, weil abgelegt wird, sobald alle Plätze verkauft sind. Immerhin gibt es einen eigenen Schalter für Touristen – und zusätzliche Passkontrolle. Die Wartezeit in der Halle vertreibt ein kleiner Imbiss, wobei nur derjenige Ca Phe Sua Da (vietnamesischen Kaffee mit Kondensmilch) trinken sollte, der gewiss nicht seekrank wird: Auf der einstündigen Überfahrt zur Vulkaninsel kann der Wellengang sehr stark werden.

Endlich auf Ly Son wird man gleich von einem Offizier in ein Büro eskortiert, um die Passdaten aufzunehmen. Die Kommunikation gestaltet sich schwierig, denn auf Ly Son spricht praktisch niemand Englisch, der Besuch ausländischer Touristen ist noch ungewöhnlich. Die überdies eine Unterkunft vorweisen müssen – andernfalls werden sie in einem für vietnamesische Verhältnisse teureres Hotel einquartiert. Es empfiehlt sich, vorab eine Bleibe zu organisieren. Oder man hat Glück, und landet dank der Hilfe einer einheimischen Studentin in einem Hotel am anderen Ende der Insel. Das Haus ist offen gestaltet – der Aufenthaltsraum halb überdacht, geht in einen Garten über und ist Rezeption, Küche, Terrasse und Wohnzimmer der Hotelbetreiber zugleich. Welche das Essen immer frisch zubereiten, meist sind klassische Pho-Suppe, gedünstetes Gemüse, marinierter Tofu und Unmengen von Meerestieren und Fisch dabei. Mit Glück kommt man auch in den Genuss eines Knoblauchsalates. Der Teller voll Knoblauch, in allen Formen und Variationen, entpuppt sich als Geschmackserlebnis, der mit europäischem Knoblauch nicht zu vergleichen ist.

Wasser aus dem Krater

Die Knolle ist neben der Fischerei die Haupteinnahmequelle der 3000 Bewohner dieser nur 9,7 Quadratmeter großen Insel. Überall sind Felder angelegt, da kann es schnell passieren, beim Herumwandern immer wieder in einer Sackgasse voll Knoblauch zu enden. Für seinen Anbau benötigt man viel Wasser, zweimal täglich müssen die Bauern die im Sand wachsenden Knollen wässern, sonst ist die ganze Ernte zerstört. Der Sand, den man dafür benötigt, wird aus dem Meer geholt, wodurch sich mittlerweile aufgrund des rücksichtslosen Abbaus an manchen Stellen Erosion zeigt. Das Wasser selbst kommt aus einem Reservoir, das in einen Vulkan, den Krater von Thoi Loi, gebaut wurde, um während der Trockenzeit die Versorgung zu sichern.

Der Thoi Loi ist einer der vier inaktiven Vulkane auf der Insel. Eine herrliche Aussicht auf den Hafen und das Dorf darunter lohnen den Aufstieg. Der Weg führt an idyllischen grünen Klippen mit grasenden braunen Kühen vorbei, bis links ein Pfad zu der beliebten Hang Padoga aus der Cham-Zeit führt. Auf der kleinen Insel braucht man kein Gefährt, speziell wenn man sie umrundet und dabei einen in Höhlen eingelassenen buddhistischen Tempel erkundet. Nicht selten führt einen der Weg durchs Wasser um die Klippen herum. Wer abends zu Fuß unterwegs ist, wird schon einmal von Einheimischen auf dem Moped mitgenommen, lernt dessen Wohnort, Familie, Arbeitsstätte und Freunde kennen und feiert das Ende der unfreiwilligen Inselrundfahrt bei Bier und salzigen Crêpes an einem Straßenlokal. Kommuniziert wird mit Händen und Füßen und, wenn das nichts mehr hilft, mittels Google Translate.

Während des Vietnamkrieges war auf Ly Son ein amerikanischer Stützpunkt, von wo aus der Schiffverkehr an der vietnamesischen Küste beobachtet wurde. Auch heute ist der letzte Teil von den Vulkanhügeln noch militärisches Sperrgebiet. Beim Versuch, den Hügel ganz zu erklimmen, signalisiert ein Soldat per Handzeichen, dass ein Weitergehen nicht erwünscht ist. Einen tropischen Sandstrand kann Ly Son nicht bieten – aber Cù Lao Bãi, die kleine Insel. Start um sieben Uhr früh, Ankunft mit weiterer Passkontrolle seitens des Militärs. Danach ist man frei, sich auf der Insel zu bewegen, wobei man nach 20 Minuten die andere Seite schon erreicht hat. Dafür lohnt die Landschaft: typisches Lavagestein, herrlich leere Buchten mit klarem hellblauen Wasser, weißem Sandstrand und schwarzen Klippen. Und kein Knoblauch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3.9.2017)

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