Curaçao: Kaktussuppe für den Iguana

Sonnig. Curaçao ist der wärmste und ­trockenste Fleck der Niederlande.
Sonnig. Curaçao ist der wärmste und ­trockenste Fleck der Niederlande.(c) Curaçao Tourist Board
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Prachtvolle Strände, eine farbenfrohe Hauptstadt und ein Nationalpark tragen zur allgemeinen Lebensfreude auf der Karibikinsel Curaçao bei.

Zus di Plasa steht in der Alten Markthalle der pastellbunten Inselhauptstadt Willemstad an einem rußgeschwärzten Herd. Sie schwenkt Pfannen und Töpfe, grillt Gemüse und brät Fleisch. Jeden Tag um die Mittagszeit verwandelt sich die Halle in ein großes Restaurant. An langen Tischen sitzen die Menschen unter Ventilatoren und Kronleuchtern und essen karibische Spezialitäten: gegrillten Fisch, süße Kochbananen, Reis mit schwarzen Bohnen, alles so exotisch wie köstlich.
Früher gab es hier ganz normale Marktstände. Irgendwann aber nahm das Kochen an den Ständen überhand, und so zog der eigentliche Markt in eine neue Betonstruktur einen Steinwurf von der alten Halle entfernt. Seither ist diese eines der preiswertesten und originellsten Restaurants von Willemstad – und die Kochstelle von Zus di Plaza eine Institution im Herzen der Inselhauptstadt.

Curaçaos Haupteinnahmequellen sind der Tourismus, eine Raffinerie, der Hafen und – Banken. Die Inselkapitale kann neben Kreditin­stituten aber auch auf eine lange Geschichte verweisen. Das beweisen die älteste durchgängig genutzte Synagoge der Welt und die historischen Festungsmauern am Meer, an die sich heute eine Reihe angenehmer Freiluftrestaurants drängt, in denen sich beim Rauschen der Wellen speisen lässt.

Scharfäugig. Curaçao-Falken haben von den Kakteen aus eine gute Aussicht.
Scharfäugig. Curaçao-Falken haben von den Kakteen aus eine gute Aussicht. (c) Curaçao Tourist Board

Mit der 1888 erbauten Queen Emma Bridge, die seit 1975 für Fußgänger reserviert ist und für den Schiffsverkehr mehrmals am Tag zur Seite gefahren wird, besitzt Willemstad auch jenseits der in Bonbonfarben leuchtenden alten Handelskontore eindrucksvolle Bauten. Für eine eher karge Karibikinsel bündelt die größte der ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao so erstaunlich viele Überraschungen.

Traumstrände. Curaçao, ein eigenständiges Land im Königreich der Niederlande, besitzt natürlich karibiktypische Traumstrände. Die schönsten Buchten mit puderweißem Sand an türkisfarben leuchtendem Meer liegen im Nordwesten der Insel. Und auch Palmen kommen vor. Aber noch viel mehr Kakteen. Die 60 Kilometer vor der Küste Venezuelas gelegene Insel ist trocken und karg; nur selten regnet es. Giftige Reptilien sind unbekannt. Dafür sonnen sich auf Mauern und Parkplätzen Iguanas: bis zu einem Meter lange, zackig gemusterte kleine Drachenwesen, die vegetarisch leben und bisweilen in den Kochtöpfen der Insulaner landen.

Iguana-Eintopf ist eine der exotischen Spezialitäten der Inselküche, die ihre Wurzeln in der Ära der Sklaverei haben. „Wir wissen, was damals passiert ist, aber wir sehen uns nicht als Opfer, sondern schauen nach vorn“, sagt Bigala Cecilia mit Blick auf diese Zeit. Bigala führt Besucher durch die Natur Curaçaos, die gleich an den Grenzen Willemstads beginnt. In einer Lagune stehen Flamingos, die Morgenluft ist erfüllt von Vogelstimmen. Mit ihrer Arbeit als Guide hat sie ihren beiden Kindern das Studium finanziert. Ihr Sohn ist gerade mit dem Diplom in der Tasche aus Holland zurückgekehrt, die Tochter arbeitet als Psychologin in den Niederlanden. Dabei stammt Bigala aus ärmlichen Verhältnissen: „Meine Mutter kurierte alles mit Kräutern aus dem Garten, und das meiste, was wir aßen, stammte ebenfalls von dort.“ Kaktussuppe zum Beispiel, die von den Bewohnern Curaçaos heiß geliebt wird, aß sie als Kind fast jeden Tag.

Reiche Fauna. Im Nationalpark  leben viele Tier- arten, etwa der Grüne Leguan, der aber braun ist.
Reiche Fauna. Im Nationalpark leben viele Tier- arten, etwa der Grüne Leguan, der aber braun ist.(c) Curaçao Tourist Board

Im Tula-Museum in einer ehemaligen Plantage aus der Kolonialzeit weiht Nette Willems die Besucher in die Geheimnisse dieser exotischen Spezialität ein. Die von Stacheln befreite, zerstampfte Schale des Kadushi-Kaktus wird mit Wasser gekocht. Je nach Vorratslage kommt Fisch oder Fleisch hinzu: „Zum Beispiel ein Schweineschwanz“, erklärt Nette und lacht vergnügt. „Ich koche jeden Sonntag für meine Familie Kaktussuppe, wir lieben sie.“

Das Experiment zeigt: Die Konsistenz des Süppchens ist ein wenig schleimig, der Geschmack aber klar „dushi“: Das bedeutet im kreolischen Idiom Papiamentu schmackhaft, aber auch schön, nett und freundlich, passt hier also eigentlich immer.

Früchtekuchen. Dushi ist auch der „Bolo pretu“, ein dunkler Früchtekuchen, der auf Curaçao traditionell zu Familienfeiern gebacken wird. Jeritza Beaumont, die erste und einzige Fernsehköchin der Insel, variiert das alte Rezept mit einem Schuss Blue Curaçao – dem echten natürlich, der aromatisch ist statt süß und klebrig und aus den Schalen guter Bitterorangen hergestellt wird.

Seit 1988 verkauft Jeritza die Kuchen, die sie in drei Öfen in ihrer sonnendurchfluteten Küche backt, seit 2014 hat sie ihre eigene Fernsehsendung „Sweet Hour“. Darin zeigt sie, wie man kreolisch inspirierte Kuchen und bunte Geburtstagstorten für Kinder backt. Gedreht wird hier, in ihrer Küche, wo über der Tür eine Uhr in Form einer Küchenmaschine hängt und auf der Mauer vor dem offenen Fenster hungrige, nahezu zahme Iguanas sitzen, die wissen, dass die Chefin ihnen gelegentlich Oliven spendiert.

Wann sie backen gelernt hat, vermag die 58-Jährige nicht genau zu sagen. „Wir haben es in unseren Genen, wirklich gelernt habe ich es nie.“ Gerade hat sie zwei Kuchen für eine Hochzeit in den Ofen geschoben. Nun packt sie fertige Kuchenstücke in dünnes Goldpapier. „Als kleines Kind habe ich einfach meinen Tanten und Cousinen beim Backen zugeschaut.“

Mobil. Die 1888 errichtete Queen Emma Bridge kann eingeklappt werden.
Mobil. Die 1888 errichtete Queen Emma Bridge kann eingeklappt werden.(c) Curaçao Tourist Board

Als sie nach der Schule in einer Bank zu arbeiten begann, backte sie für Freunde und Kollegen. Schließlich reduzierte sie die Stunden in der Bank immer mehr zugunsten des Bolo pretu und anderer schwerer, süßer Kuchen – bis für die Bank keine Zeit mehr übrig war. Heute hängen an der Wand Diplome der Meisterkurse, die Jeritza Beaumont seither absolvierte. In Stoßzeiten helfen ihr eine der beiden Töchter – die andere lebt in Holland –, die Nachbarin oder eine Freundin, die von Bonaire hinüberkommt. Nebenbei pflegt Jeritza ihre Facebook-Seite „Curaçao Delights“. Seit sie einmal pro Woche im Fernsehen zu sehen ist, folgen ihr dort mehr als 3000 Interessierte.

Auf Curaçao dreht sich eben sehr viel ums Essen. Aber nicht alles. Die Insel, die den Holländern aufgrund ihrer Kargheit einst wertlos erschien, sodass sie sie nur als Umschlagplatz für Sklaven nutzten, verfügt über eine reiche Natur. Das Gebiet rund um den Christoffel Mountain, die mit 375 Metern höchste Erhebung der Insel, ist sogar als Nationalpark geschützt: 2300 Hektar zerklüfteter Hügel und trockener Vegetation unter sengender Sonne. Zu Fuß lässt er sich unter einem breitkrempigen Sonnenhut erkunden, wer die Sonne fürchtet, nimmt das Auto, denn im Park gibt es außer Wanderpfaden auch hinlänglich ausgebaute Schotterpisten und ein paar Straßen.


Anmutige Christoffel-Hirsche. Schweine, Esel und Ziegen zählen neben endemischen Vögeln wie dem Curaçao-Falken und der Curaçao-Schleiereule sowie den ubiquitären Iguanas zur Fauna des Parks – sie sind Abkömmlinge der Tiere, die die Spanier auf der Durchreise einst als lebendiges Vorratslager aussetzten.

Karge Flora. Der Christoffelpark  ist mit 2300  Hektar der größte Nationalpark von Curaçao.
Karge Flora. Der Christoffelpark ist mit 2300 Hektar der größte Nationalpark von Curaçao. (c) Curaçao Tourist Board

Auf einem Hügel sind die Grundmauern einer Plantage aus dem 18. Jahrhundert zu erkennen. Von den Sklavenquartieren aus ist vor dem karibischen Meer das im Tal gelegene Haus der Besitzerfamilie zu sehen. Inhaber und Aufseher hatten einander stets im Blick, denn die Angst vor Unruhen unter den Sklaven war der Preis so billiger Arbeitskräfte. Wo einst Mangos, Bananen und Bohnen gediehen, wachsen heute vor allem Kakteen: Kadushi, die sich so gut als Suppe machen, der pfeilgerade wachsende Datu, der stachelige Früchte trägt, aber auch Flechten, zarte Orchideen und in der Regenzeit ein paar tapfere Blumen.

Nur 250 Exemplare des Christoffel Deers, einer anmutigen Wildart, leben rund um den Christoffel Mountain. Frühmorgens und am Nachmittag sind die Chancen, die scheuen Tiere zu sehen, besonders groß, da sie die Hitze des hellen Tages meiden. Manchmal hat man aber auch einfach Glück. Dann tritt ein hübscher Christoffel-Hirsch aus dem Gebüsch und schaut die Besucher sinnend an. Hinter ihm stehen ein paar weibliche Tiere und zucken misstrauisch mit großen Ohren. Erst als einer der Wanderer auf einen Zweig tritt, verschwinden die Tiere im Unterholz.

Tipps

Anreise
KLM fliegt über Amsterdam nach Willemstad, Preis ab 740 Euro (www.klm.com).


Einreise
EU-Bürger benötigen einen Reisepass.


Reisezeit
Von Februar bis Mai gibt es so gut wie keinen Regen, dafür weht meist eine angenehme Brise und die Temperaturen liegen verlässlich bei etwa 27 Grad. August und September sind mit Temperaturen von 30 bis 35 Grad die heißesten Monate. Danach beginnt die Regenzeit, in der es zwar meist nur kurz regnet, die die Insel aber bis Dezember etwas grüner macht.


Übernachten
Im Avila, dem ältesten, 1949 eröffneten Luxushotel Curaçaos, steigen Willem-Alexander und seine Máxima bei königlichen Besuchen ab. Dann geht es zwanglos zu, das Königspaar verbindet beruflichen und privaten Aufenthalt und sitzt abends an der Schooner Bar. Willem-Alexander spielte schon als Kind an den beiden Hausstränden, denn auch Königin Beatrix war hier Stammgast. Die Geschichte des Hauses ist noch länger. 1812 verbrachte der venezolanische Unabhängigkeitskämpfer Bolívar einige Monate auf der Insel, seine Schwestern wohnten im ältesten Gebäude des heutigen Hotels, dem achteckigen Octagon House. Heute erinnert darin ein kleines Museum an die Verbindung Bolívars zur Insel. Das Haupthaus war erst Residenz der englischen, dann der niederländischen Gouverneure, später wurde es ein Krankenhaus. DZ ab 165 Euro, Suite ab 300 Euro, www.avilahotel.com.

Recht schick ist das Floris Suite Hotel, das keinen unmittelbaren Strandzugang bietet (fünf Minuten Fußweg oder Shuttle), dafür aber einen sehr schönen Pool, eine Bar, die auch Einheimische anlockt, sowie gute Küche im hauseigenen Restaurant. Nur für Erwachsene. DZ ab 120 Euro, www.florissuitehotel.com.


Schlemmen
Die Alte Markthalle in Willemstad verwandelt sich täglich um zwölf Uhr in ein großes, zwangloses Restaurant. Man sitzt an langen Tischen neben­einander und genießt karibische Spezialitäten, vor allem gegrillten Fisch mit exotisch zubereitetem Gemüse.

In der „Klosterküche“ der Deutschen Uschi Renno und ihrer niederländischen Gefährtin Maureen gibt es im schönen Ambiente eines restaurierten Klosters exotische Pfannkuchen aus Bioprodukten. Maureen steht am Herd, Uschi serviert. Die süßen und herzhaften Pfannkuchen besitzen auf Curaçao Kultstatus. Auf dem „Pannekoek  Bandera di Korsow“ stellen (echter, hiesiger) Blue Curaçao und Mangosauce die Flagge des Inselstaats dar, den „Pannekoek Mutter Oberin“ adeln hausgemachtes Pesto und frisch gehobelter Parmesan. Samstags bis dienstags wird von
17 bis 20 Uhr aufgefahren; Reservierung
drei Tage im Voraus empfohlen. Tel. +5999/660 78 61,klosterkueche@email.de,
http://inskloster.jimdo.com

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