Südtirol

Dolomiten: Forte am Helm, piano auf der Seiser Alm

Traumberge hat der Skifahrer auch im Gadertal/Alta Badia immer vor Augen.
Traumberge hat der Skifahrer auch im Gadertal/Alta Badia immer vor Augen. IDM Südtirol
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Mit dem Auto oder gar mit einem Hubschrauber? Braucht man nicht (mehr). Dank neuer Pisten, Bergbahnen und guter Zugverbindungen kann man die Dolomiten jetzt an einem Tag mit Skiern durchqueren. Und das, ohne wirklich zu hetzen.

Was den Unterschied zwischen Skifahren und Radfahren ausmacht, das erklärt sich spätestens dann, wenn man fragt, wie denn der Rad- oder Skiurlaub gewesen sei. Der Radfahrer erzählt meist, dass er von da nach dort gefahren ist, auf der Alpe-Adria nach Grado oder einmal quer durchs Gebirge an den Gardasee. Und er tut's mit sichtlichem Stolz. Der Skifahrer hat es da nicht so gut. Er ist in diesem oder jenem Gebiet gewesen, da waren die Schneeverhältnisse gut, das Essen war reichlich. Sonst verbringt der Skifahrer die Zeit damit, an dem einen oder vielleicht noch an dem anderen Berg immer wieder rauf- und runterzufahren. Aber die Zeiten ändern sich.

Der Skifahrer will mehr erleben. Die Gebiete werden größer, die Verkehrsverbindungen besser. Und da tun sich neue Möglichkeiten auf, wie der Run of Fame quer über den Arlberg von St. Anton bis Warth-Schröcken oder die Schmugglerrunde bei Ischgl und Samnaun. Noch besser haben es die Südtiroler. Dank der Pustertaler Bahn und der neuen kombinierten Bahn- und Liftstationen am Helm und am Kronplatz können Skifahrer an einem Tag die Dolomiten queren. Fünf Skigebiete mit einem Tagepass von Dolomiti Superski, sprich der Helm in den Sextner Dolomiten, Kronplatz, Alta Badia, Gröden und die Seiser Alm. Zurück geht's mit Bus und Bahn von Seis via Waidbruck, Franzensfeste und Bruneck. Oder man übernachtet auf der Seiser Alm und fährt tags darauf mit Skiern zurück.

Und so schaut der Selbstversuch aus: Der Tag beginnt ziemlich früh auf der Nordabfahrt des Helm hinunter nach Vierschach, das nur ein paar Kilometer zur Grenze nach Osttirol liegt. Punka heißt die moderne Talstation, die über eine Brücke direkt mit der Station der Pustertaler Bahn verbunden ist. Dort startet der Zug gen Westen. Eine halbe Stunde dauert die Bahnfahrt mit dem Ski-Pustertal-Express bis Percha auf der Ostseite vom Kronplatz. In der ziemlich abgelegenen Station sind es ein paar Schritte auf dem Bahnsteig zu den Kabinen der neuen Bahn hinauf zum Kronplatz, oben werden zum postkartengerechten Dolomitenpanorama die ersten Sonnenstrahlen serviert, die die Abfahrt auf der leeren, frisch präparierten Piste nach St. Vigil begleiten.

In den Dolomiten isst man gut und alpin-mediterran wie hier am Grödnerjoch.
In den Dolomiten isst man gut und alpin-mediterran wie hier am Grödnerjoch. IDM Südtirol/Frieder Blickle

Man spricht Ladinisch

Schnell noch einen Espresso, dann lassen wir den 2275 Meter hohen Gipfel mit dem Museum MMM Corones von Bergsteigerlegende Reinhold Messner hinter uns, das Zaha Hadid Architects geplant hat und das dem Thema Klettern gewidmet ist. Ein bemerkenswerter Bau mit unterirdischen Museumsflächen und auskragenden Plattformen für den Blick in die Berge.

Noch ist schwer abzuschätzen, wie lang wir brauchen und wo Verzögerungen lauern. Eine kurze steile Abfahrt und eine lange Anfängerpiste später sind wir in St. Vigil, besteigen die nächsten Kabinen und landen oben am Start der Piculinpiste, die unsere Konzentration fordert, weil sie erstens steil ist und zweitens stark zur Seite abhängt. Unten wartet vor der Talstation bei St. Martin in Thurn im Gadertal der Skibus. Wir sind jetzt im ladinischen Teil Südtirols – was man erstens an den dreisprachigen Ortstafeln und zweitens an dem unverständlichen Dialog des Busfahrers mit seinem Kollegen erkennen mag.

Gute 20 Minuten und gefühlte 100 Kurven später sind wir in Alta Badia und steigen bei Badia in den ersten von zwei Sesselliften, die uns nach La Villa und zur Gran-Risa-Bahn bringen: Die berühmte Weltcuppiste erleben wir bei der Bergfahrt von oben. Bevor wir die Abfahrt nach Corvara nehmen, braucht es noch links bei der Bergstation einen Espresso im Club Moritzino, einer Hütte, die für ihr elitäres Fischrestaurant und für extravagante Diskonächte bekannt ist. „Entstanden ist die Idee“, erzählt der Chef Moritzino, „als Gunter Sachs mit seinem italienischen Kollegen Marzotto einen Fisch essen wollte – und dafür einen Helikopter in Richtung Chioggia geschickt hat.“

Das Gadertaler Skigebiet Alta Badia
Das Gadertaler Skigebiet Alta BadiaIDM Südtirol/Alex Filz

Unterwegs nach Corvara ist die Verlockung groß, stehen zu bleiben und in die spektakuläre Aussicht zu kippen: die Marmolada im Süden, die Sella mit Piz Boé, Grödner Joch und dem Langkofel im Hintergrund. Halb zwölf ist es, als wir in Corvara landen. Ein Abstecher zum Piz Boé mit einer schönen langen Abfahrt wäre verführerisch, aber es liegen noch viele Pisten vor uns, also nehmen wir zwei Kabinenbahnen und zwei Sessellifte und stehen eine knappe halbe Stunde später auf dem Grödner Joch. Bei der Bergstation der Dantercepies-Bahn klicken die Handykameras im Stakkato. Der Blick nach Gröden und zum Langkofel dürfte einer der besten Aussichtsplätze in den Dolomiten sein.

Die lange Dantercepies-Abfahrt endet direkt in Wolkenstein, wo sich der Pulk der Wintersportler über die Hauptstraße bewegt und sich bei der Ciampinoibahn alle brav in der Schlange anstellen. Die Bergfahrt in Wolkenstein ist der einzige Punkt, an dem Wartezeiten angesagt sind: Eine halbe Stunde später machen wir die ersten Schwünge auf der berühmten Saslong, der Weltcupabfahrtspiste, umkurven die gefürchteten Kamelbuckel und rutschen langsam den Zielschluss hinunter, wo die unterirdische Bahn Skifahrer auf die andere Talseite bringt und dort zur Bahn auf den Col Raiser. Zur Bergstation gehören ein Wellnesshotel samt Terrasse mit dem nächsten Panoramablick. Zeit für die nächste Kaffeepause: Cappuccino, Brioche, Sonne und ein Langkofel, der wie eine Riesenstatue in der Landschaft steht.

Ein paar Kurven auf einer schmalen Piste hinter der Bergstation bringen uns zum Fermeda-Sessellift, der den höchsten Punkt auf der Nordseite von Gröden ansteuert, die Seceda-Bergstation auf 2518 Metern. Ein letzter Blick zum Langkofel und zur Sella, schon ziehen die Skier nach rechts. Hier beginnt La Longia. Die mehr als zehn Kilometer lange Abfahrt nach St. Ulrich zählt mit ihren breiten Hängen im oberen Bereich, den kurvigen Passagen weiter unten im Wald zu den schönsten Pisten.

Kurze Schritteinlage

Nächstes Ziel ist die Talstation der Seceda-Seilbahn am Ortsrand von St. Ulrich. Da heißt es kurz die Skier schultern und durch die Fußgängerzone – vorbei an noblen Boutiquen und bunten Holzschnitzerläden – bis zur Talstation der Seilbahn spazieren. Dann beginnt die letzte Etappe: Kurz vor zwei Uhr stehen wir oben auf der Seiser Alm, schauen auf die schneebedeckten Hochfläche. Wir sind hier gefühlsmäßig weit weg von der Saslong und dem Weltcup. Die Seiser Alm wird ihrem gemütlichen Image gerecht. Neben der Piste ziehen Winterwanderer, Langläufer und Pferdeschlitten entschleunigt über den Schnee. Der Sanon- und der Steger-Dellai-Lift bringen uns zusammen mit kurzen Abfahrten bis Kompatsch.

Bei der Bergstation endet das Skivergnügen. Es ist 14.45 Uhr. Die Tour war schneller als gedacht. Und anstelle der kurzen Cappuccinopausen wäre sich ein ordentliches Mittagessen ausgegangen! Beim nächsten Mal werden wir daher kurz vor Kompatsch in der Gostner Schwaige einkehren, einer urigen Hütte, in der Franz Mulser, der in berühmten Haubenrestaurants gelernt hat, fein südtirolerisch aufkocht. Ein letzter Blick zurück über die Seiser Alm zum Langkofel und Plattkofel. Schließlich bringt uns die Seilbahn nach Seis, wo in der Talstation zumindest eine XXL-Pizza wartet. Dann schließt sich der Kreis – mit dem Bus nach Waidbruck und der Pustertaler Bahn über Franzensfeste und Bruneck nach Vierschach.

Tipps

Mit den Skiern: Die persönliche Dolomitendurchquerung startet in Vierschach im Skigebiet Drei Zinnen Dolomiten unweit der österreichischen Grenze. Hier geht's als Erstes auf den Helm, weiter auf den Kronplatz. Das Ziel ist das Skigebiet Seiser Alm bzw. der Ort Seis.

Hin mit Öffis: Ab Franzensfeste (vom Brenner kommend) oder ab Lienz (vom Pustertal kommend) mit dem Pustertal-Express bis nach Vierschach, wo Bahnstation und Liftstation verbunden sind. Auch auf den Kronplatz kommt man mit dem Zug: direkt bei
der Station Percha-Ried.

Infos:www.skipustertal.com

Zurück mit Öffis: Retour geht's von der Talstation in Seis nach Waidbruck mit dem Bus 171, Fahrtzeit ca. 30 Minuten, Abfahrt jeweils sieben Minuten vor der vollen Stunde. Von Waidbruck nach Franzensfeste (25 min) und von dort nach Vierschach (90 min).

Einkehrtipps: Moritzino in Alta Badia, prominente Restaurant- und Après-Sie-Legende, www.moritzino.it. Gostner Schwaige auf der Seiser Alm, Franz Mulser kocht großartig.

Skiticket:Dolomiti-Superski-Pass

Infos:www.suedtirol.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.1.2018)

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