Am Fjord Tirols: (Ein)tauchen im Schnee

Fast schon Kitsch: See und Steg im Schnee.
Fast schon Kitsch: See und Steg im Schnee.(c) PR
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Achensee: Tauchen im vier Grad kalten Wasser, Schwimmen im Winter als Alternativurlaub in Tirol? Kann man machen. Muss man aber nicht. Denn der Winter am Achensee, das ist vor allem ein Entdecken der Gemütlichkeit im Wintersport.

Eigentlich sollte alles anders sein. Eigentlich, sagt Stephan Kobinger, sollte man sich das so vorstellen: Schnee auf den Wäldern, eine dicke Decke auf den Bergen ringsum, auf dem Steg zum See. „Dann brauchst nicht mehr nach Kanada oder Norwegen fahren“, sagt er, setzt die Taucherbrille auf, marschiert im weiten Wintertauchanzug die Rampe zum Wasser hinunter, und dann sieht man bald nur noch Luftblasen aufsteigen.

Kobinger ist der Präsident des Tauchvereins Black Divers Tirol und Direktor des Hotels Post am See in Pertisau. Tauchen im Winter ist natürlich nur ein Gag – besonders für jene Taucher unter den Gästen, die am Vorabend nach dem zweiten Zirbenschnaps groß geredet haben und dann bibbernd am Wasser stehen. Kobinger nimmt sie mit ins eisige Wasser – samt ein paar Tauchprofis zur Sicherheit. Die Mutprobe der einen, eine Attraktion für die anderen. Die Gruppe Inder, die fotografiert, deutsche Senioren, die darüber lachen.

„Feel the Frost“

Tauchurlaub in Tirol statt Ski fahren? Kobinger scherzt über neue Nischen, immerhin kommen zum Silvesterschwimmen auch stets ein paar Tausend Leute. Schauen zu, wenn sich erstaunlich viele Wagemutige erst in Bikini oder Badehose mit einem Kübel eiskalten Wassers anschütten lassen (damit der Kälteschock nicht erst im See kommt), ins Vier-Grad-Wasser springen, zu einem Plastik-Eisberg schwimmen und dort hinaufklettern. „Feel the Frost“ lautet das Motto. Die Zahl derer, die dem freiwillig folgen, steigt jedes Jahr.

Die Wintertaucher steigen ins vier Grad kalte Wasser.
Die Wintertaucher steigen ins vier Grad kalte Wasser.(c) Hetzenauer

Tauchen im eisigen Wasser, schwimmen in der fjordartigen Landschaft (und das nicht gemütlich in den beheizten Außenpools) als Alternative zum Skifahren? Noch nicht. Noch gibt es genug Schnee. Der eingangs vermisste Schnee um den See, der sollte wenige Tage später ohnehin in Massen fallen. Oben, im Skigebiet, liegt die ganze Saison über genug. Naturschnee, beschneit wird nicht. Das wäre zu teuer, schließlich ist es ein kleines Skigebiet, auch sonst ist hier am See einiges anders als in großen Skidestinationen Tirols.

Ist der Achensee mit der Schifffahrt, der dampfbetriebenen Zahnradbahn, dem guten Wind zum Surfen und Segeln doch vor allem Sommerdestination. Aber Achensee geht auch im Winter. Selbst wenn es da gewöhnlich gemütlicher zugeht, als es wagemutige Taucher und Schwimmer vermuten lassen.

Obwohl sich die Region zunehmend als (Fun-)Sportdestination zeigen will, das jüngst dort abgehaltene Splitboard-Festival etwa zeugt davon, geht es im Winter gemächlich zu. Für ambitionierte Alpinskifahrer, die jedes Jahr mehr Pistenkilometer, gemütlichere Sitzheizungen und noch waghalsige Abfahrten suchen, denen wäre hier schnell fad zwischen den „Genussskifahrern“, auf gemütlichen blauen, roten und wenigen schwarzen Pisten. Drei Skigebiete, Karwendel (Pertisau), Christlum (Achenkirch) und Rofan (Maurach) und mehrere Übungsanlagen mit 53 Kilometern Pisten warten um den See.

Es sind gemütliche Skigebiete, nicht überlaufen, Pisten, auf denen man sich nicht in die Quere kommt und auf denen sich auch noch niemand über die vielen Winterwanderer, Schneeschuhwanderer oder die Tourengeher, die neben den Pisten aufsteigen, aufregt. Am Achensee schnallt der Gast gern zu Mittag ab und bleibt länger in der Sonne sitzen.

Stress? Doch nicht hier

Stress, diese und jene Abfahrt noch ausprobieren zu müssen? Noch eine Gondel, noch ein Gipfel? Gibt es nicht, und manchmal ist das gut. Lieber noch einen Kaffee, ein Stündchen in der Sonne, so schnell trennt man sich von ihr, dem Blick auf den blauen See und die verschneiten Gipfel von Karwendel und Rofan ja ohnehin nicht.

Die Region im Schnee, das ist auch ein Eintauchen in eine neue Langsamkeit. Bei einer Skitour, zum Beispiel. Die sind hier für Einsteiger geeignet, man muss beim Abfahren im Gelände nicht firm sein, auch die Lawinenausrüstung darf man zu Hause lassen, es geht durch den sicheren Wald, über verschneite Forststraßen, nur kurz ein wenig steil über Skipisten bis zur Hütte bei der Bergstation. Eine gemütliche Tour, im gesicherten Gelände, durch traumhafte Landschaft – und bergab auf präparierten Pisten. Die Gipfel ringsum, man könnte manche mit Skiern besteigen. Aber man muss ja nicht.

Ähnlich die Abende. Stadl-Discos, Après-Ski? „Glühwein“, „Glühwein“, ruft ein Einheimischer einem bei der Talstation entgegen. Aber abends wird es in Pertisau schnell ruhig. Nur die Schneekanonen (beschneit wird die Loipe, als bekanntes Langlaufgebiet kann man sich das, im Gegensatz zu den Alpinskipisten, leisten) surren, ein paar Wanderer, die sich zu einem Hüttenabend auf der Falzthurnalm aufmachen, sind mit Fackeln oder Lampen unterwegs.

In den Hotels – familiengeführte Häuser, vielfach kennt man sich gut, Gäste kommen über Generationen, manche überwintern hier wochenlang – tanzt man zu alten Liedern. Sogar die gute alte Tanzglätte streut man aufs Parkett, und Herren fordern Damen auf. Alleinunterhalter, Volksmusikabende, eine kleine Zeitreise.

Das passt zum Achensee, ist der doch eine der ältesten Tourismusregionen der Alpen. Dank der Texte und Bilder aus dem Jagd- und Fischereibuch Kaiser Maximilians war der Achensee schon um 1500 berühmt, Maximilian I. und Erzherzog Ferdinand II. ließen sich für den See prunkvolle Schiffe anfertigen, auch erste Fremdenquartiere entstanden damals. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begann dann mit Bahn und Schifffahrt die Geschichte des Fremdenverkehrs.

Noch immer sind die Achenseer Pioniere: Ende der Sechziger, als Langlaufen in den Alpen kein größeres Thema war, widmete sich hier eine Skischule dem Langlaufunterricht. Und ebenso früh sind die Funsportarten an den See gekommen: Snowbiken (man fährt auf einer Art Rad mit Skiern statt Rädern bergab und trägt dabei Kurzski) oder Nordic Cruising, einer Art Kitesurfen auf Schnee. Und die Klassiker der Alternativen zum Alpinski: 220 Loipenkilometer, fünf beleuchtete Rodelbahnen, geführte Schneeschuhtouren, stets mit Blick auf den See – Highlight und Zentrum der Region.

Pioniere trotz der Langsamkeit

Abends hört man dann mitunter an der Bar oder in der Sauna, mit Blick auf den dunklen See, die Geschichten. Vom Tauchen im eisigen Wasser, von versunkenen Booten, von Fischen, die es kaum mehr gibt, seit das Kraftwerk in Betrieb ist, oder von Plastikskeletten, die irgendjemand unter Wasser für Taucher montiert hat. Und wundert sich, was Winter in Tirol dann auch sein kann.

Compliance-Hinweis: DieReise wurde vom Hotel Post unterstützt.

WINTER AM ALPENSEE

Schlafen. Hotel Post am See in Pertisau 4*, Doppelzimmer ab 107 Euro, hervorragende Küche, neu renovierter, großzügiger Spa-Bereich. Postamsee.at .

Essen. Beim Hüttenabend auf der Falzthurnalm, via ca. einstündige Fackelwanderung (oder per Auto) zu erreichen.

Events: Zu den Highlights der Wintersaison am See zählen das Silvesterschwimmen, das Splitboardfestival, die Achenseer Ballontage (5. bis 11. März 2018) oder das Langlaufrennen „Drei-Täler-Lauf“ (25. Februar 2018).

Info: www.achensee.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2018)

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