Malta: Fashion, Fusion und Notte Bianca

Blick auf Valetta
Blick auf Valetta Imago
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Valetta ist 2018 Europäische Kulturhauptstadt, teilt den Titel aber gern mit der Schwesterinsel des kleinen Archipels.

Nicht umsonst hat die Unesco die gesamte Altstadt von Valetta zum Weltkulturerbe erklärt. Als architektonisches Meister- und Bollwerk gegen die nach Westen drängenden diversen islamischen Supermächte errichtet, darf man die Insel wohl auch noch 2018 sehen. Auch wenn die Malteser sich heutzutage weit friedlicher ihrer Aufgabe widmen und, ganz ohne viel Aufhebens darum zu machen, täglich unzählige schiffbrüchige Flüchtlinge aufnehmen.

Aber auch darin haben sie jahrhundertelange Übung – beginnend mit dem im Mittelmeer umherirrenden Odysseus bis zu Peter und Paul, von denen aber wohl nur einer wirklich dort gelandet sein dürfte. Egal, der winzige Archipel im riesigen Meer darf sich seit Jahrtausenden, wenn auch mit teilweise langen Kunstpausen, als unumschiffbarer kultureller Knotenpunkt im Mare Nostrum betrachten.

Dem trägt nun auch die Europäische Union Rechnung, 2018 trägt Valletta den Ehrentitel, teilt ihn aber vornehm mit der gesamten Insel und lässt die kleine Schwester Gozo auch noch mitspielen. Man hat im Archipel viel Erfahrung mit Gastfreundschaft und Migration, beginnend bei den ersten Kulturvölkern des mediterranen Raums, die hier ihre megalithischen Spuren hinterlassen, so wie alle ihre Nachfolger, über Punier, Griechen, Römer und Araber, die unser Europa früh geprägt haben. Und später dann die diversen christlichen Imperien, österreichische Patrioten werden sogar Habsburger finden, deren spanischer Zweig die winzigen Eilande via Königreich beider Sizilien auch einmal kontrollierte. Bei dieser Gelegenheit gewährte man auch gleich den heimatlos gewordenen Johannitern Logis, Jean de la Valette befestigte im kreuzritterlichen Auftrag die Insel, seither nennt man den vornehmen Orden Malteser.

Am brauchbarsten für die Kontrolle des damals verkehrstechnisch extrem wichtigen Mittelmeers waren die tief eingeschnittenen Buchten an der Nordküste, also richtete man sich in den drei Städten der Cottonera (Vittoriosa, Cospicua und Senglea) ein und baute sich auf der schmalen Halbinsel gegenüber eine hypermoderne Hauptstadt und benannte sie nach Valette. Ganz in hellenistischer Tradition wählte man den orthogonalen Grundriss, unsereiner denkt bei den streng rechtwinkelig angelegten Straßen an New York. Bei der Ausstattung verließ man sich auf die erste Garde von Architekten und Künstlern, Kreativität war da wichtiger als ein tadelloser Ruf. So durfte sich etwa das Enfant terrible Caravaggio unbehelligt in der St. John's Co-Cathedral austoben, „Die Enthauptung Johannes des Täufers“ gilt nicht nur als eines seiner Hauptwerke, die blutrünstig-realistische Darstellung gewährt auch Einblick in seine Gefühlswelt.

Die der Malteser-Großmeister sehr wohl kannte, als er eine päpstliche Ausnahmegenehmigung erwirkte, um Caravaggio in den Orden aufnehmen zu dürfen. Nachdem der aufbrausende Künstler allerdings das Haus des Cheforganisten verwüstet und dabei einen hochrangigen Ritter schwer verletzt hatte, war seine maltesische Karriere auch beendet. Mit etwas Geduld kann man sein Werk in der Kathedrale bewundern, die prachtvollen Räumlichkeiten der diversen religiösen wie auch weltlichen Paläste geben einen plastischen Eindruck von Macht und Reichtum der einstigen Herren. Was politische Macht anlangt, muss man sich heute bescheidener geben, wirtschaftlich steht Malta allerdings gar nicht schlecht da. Wobei das wohl weniger mit der Old Economy zu tun hat, wie die seit Jahren in der Werft mitten in der Hauptstadt auf ein Service wartende Bohrplattform beweist. Dafür hat man den EU-Beitritt genutzt, um zu einem beliebten Finanzplatz zu werden.

Und nun ein paar Fördertöpfe widmungsgemäß zum kulturellem Upgrade genutzt. „Weil wir“, wie Josianne Micaleff vom Organisationskomitee erklärt, „das Kulturhauptstadtjahr weniger als Fremdenverkehrswerbung, denn dafür nutzen wollen, den Maltesern ihre eigene Kultur wieder näherzubringen!“ Dementsprechend vielfältig sind die Angebote, von der Opening Week im Jänner in Valletta über das anschließende Barock- sowie das Pop-up-Music-Festival, Kunstausstellungen wie dem Dal-Ba'ar Madwarha, übersetzt etwa „Die Insel ist, was das Meer umgibt“, die an unterschiedlichsten Locations den Status Maltas in Relation mit seiner Umgebung untersucht, bis zum Akkordeon-Festival im Garten des Corinthia Palace Hotel in Attard. Dort werden sich einheimische Künstler mit Gästen messen, während sich beim Malta Book Festival die Mitwirkung wohl auf jene knapp halbe Million Menschen beschränken wird, die die exotische Sprachmischung aus Punisch, Arabisch und Sizilianisch verstehen.

International geriert sich hingegen die Malta Fashion Week, zu der Designer, Blogger und Fashionistas pilgern, um den neuesten Stand der exportorientierten Modeindustrie abzuchecken. Ebenfalls ohne kulturelle Barrieren läuft wohl auch L-Ikla t-Tabja, das lokale Fusion-Food-Festival, ab. Dabei stehen internationale Stars am Herd ihren jungen Landsleuten mit guten Tipps zur Seite, während diese ihre kreativen Ideen einbringen – und wahrscheinlich auch den einen oder anderen Fang, den die Fischer von Marsaxlokk angelandet haben. Den kleinen Fischerhafen spricht man übrigens Marsaschlock aus. In der Bucht daneben liegt Marsaskala, wo die geräuschempfindlichen Meeresbewohner im Frühsommer wohl eher Reißaus nehmen, weil dann die Zion Reggae Bar an der St. Thomas Bay mit ihrem Rock-the-South-Musikfestival einen mächtigen Klanghorizont schafft. Heuer werden auch einige Linzer dabei sein, da Valetta2018 mit der Ars Electronica kooperiert. Die Gewinner des lokalen Wettbewerbs von U19 – Create your own World werden im Herbst als Ehrengäste in die Stahlstadt eingeflogen. Dann versäumen sie allerdings die Notte Bianca, Maltas größtes alljährliches Kunst und Kulturfestival. Da sind nicht nur alle Straßen Vallettas voller Musik und Theater, auch alle Museen sind frei zugänglich, etliche Einwohner öffnen die Türen ihrer Paläste, auch die Sperrstunde ist außer Kraft gesetzt, damit der Genuss in den Lokalen weitergehen kann.

Tipps

Anreise: Mit Austrian oder Air Malta in zwei Stunden direkt ab Wien ca. 400 Euro. austrian.com, airmalta.com

Unterkunft: Distinguierte maltesische Gastfreundschaft genießt man im Corinthia Palace Hotel, dem Stammhaus der renommierten Luxushotelkette. Mitten auf der Insel in Attard gelegen ist es nirgendwohin weit, der Pool im weitläufigen, wunderschönen Garten neben dem Präsidentenpalast entschädigt für den fehlenden Strand. Ab 120 Euro; corinthia.com

Speisen: ganz traditionell städtisch etwa in der alten Bäckerei Nenu the Artisan Baker in der Dominic Street in Valetta (nenuthebaker.com) oder gehoben bäuerlich unter Palmen und Bougainvilleen in der Cassia Salina bei den Salzpfannen in der Bucht von Bugibba (tacassia.com). Für Fisch empfiehlt sich dringend ein Ausflug nach Marsaxlokk, bei The Three Sisters kochen mittlerweile schon Töchter und Nichten, sie genießen uneingeschränkten Respekt bei den Fischern.

Aktivitäten: Der Enge der Kreuzritterstädte entkommt man wandernd. Der Fawwara Wied Iz-Zurrieq Walk etwa führt auf die Dingli Cliffs mit ihren faszinierenden Ausblicken, der Marfa Ridge Country Walk quer durch die Einsamkeit des Maltesischen „Gebirges“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

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