Périgord: Mit Martin Walker in Polizeichef Brunos Idylle

Der Wohnsitz Martin Walkers im Südwesten von Frankreich.
Der Wohnsitz Martin Walkers im Südwesten von Frankreich.(c) Norbert Mayer
  • Drucken

Wie Gott in Frankreich zu leben fällt im beschaulichen Südwesten des Landes nicht schwer: Herrliche Weingüter und Schlösser, mittelalterliche Städte, Blicke weit zurück in die Steinzeit.

In einem einfachen Restaurant mit hervorragenden Speisen, das bevorzugt von Archäologen umliegender Ausgrabungsstätten an der Vézère besucht wird, sitzt Martin Walker und kommt ins Sinnieren: „Nein, meine Fantasie ist nicht besonders ausgeprägt, ich schreibe nur über das, was ich sehe“, sagt der schottische Schriftsteller, der 25 Jahre lang Korrespondent des „Guardian“ war, unter anderem in Brüssel, Moskau und Washington. Vor gut zehn Jahren aber hat er begonnen, Krimis zu schreiben, die in seiner französischen Wahlheimat spielen.

Die Bücher wurden Bestseller. Allein vom ersten Band über „Bruno, Chef de police“, einen sehr menschlichen Beamten, Sportler und Hobbykoch im fiktiven Saint-Denis im Périgord, wurden vier Millionen Exemplare verkauft. Soeben ist der zehnte Band auf Deutsch erschienen. Die Bücher wurden inzwischen in 19 Sprachen übersetzt. Grund genug für eine kleine Gruppe Journalisten, mit Walker im Département Dordogne, wie auch der Hauptfluss der Region heißt, im Frühling auf Spurensuche zu gehen.

Verbrechen auf dem Lande

Walker hat keine Fantasie? Das ist schwer vorstellbar. Seine Romane regen zumindest die Nerven und (wegen der vielen Rezepte) auch den Geschmackssinn der Leser an. Brunos Welt, in der hinter der Idylle stets das Verbrechen lauert, fördert schauerliche Träume sowie die Sehnsucht, zumindest für eine Weile wie Gott auf dem Land in Frankreich zu leben. Das Périgord, das farblich in das Weinland im Südwesten (Pourpre), das Landschaftsschutzgebiet im Norden (Vert), die gesteinsreiche Gegend im Zentrum (Blanc) und den für ihre Trüffeln und Walnüsse gerühmten Osten (Noir) unterteilt wird, ist eine beschauliche Region, ideal zum Wandern, Radfahren, Campen und für Wassersport.

Walker empfiehlt den Besuch im Mai, Juni oder September. Dazwischen ist Hochsaison. Da stellen sich die Touristen an, um die schönsten Dörfer an der Dordogne zu sehen – etwa la Roque, das sich spektakulär zwischen Fluss und Fels schmiegt, Castelnaud oder Beynac. Auch die größeren Städte füllen sich dann – das mittelalterlich anmutende Sarlat mit seinen berühmten Märkten, der Hauptort Périgueux oder Bergerac, das Zentrum des Weines, wo eine Statue des langnasigen Dichters Cyrano vor St. Jacques steht. Man hat im Haus des Weines beim Kloster der Rekollekten große Pläne. Die Welt soll erfahren, wo sich Frankreichs schönste Ecken befinden.

Schloss Commarque ist ein Schauplatz  in Martin Walkers neuem Krimi „Revanche“.
Schloss Commarque ist ein Schauplatz in Martin Walkers neuem Krimi „Revanche“.(c) Mayer


Wir sind noch immer im Restaurant de Laugerie Basse in Les Eyzies de Tayac hängen geblieben, inzwischen aber bereits beim Dessert. Hier befindet sich eine wichtige Fundstätte des Paläolithikums. Hinter unserem Rücken, noch im Restaurant, das in einen Felsvorsprung eingebaut wurde, liegt eine uralte Höhle. Vor uns, weiter unten, fließt ruhig die Vézère. Wir warten darauf, ob im rasch fließenden Wasser eine Frauenleiche treibt, in einem Kahn, von brennenden Kerzen umringt, wie das zu Beginn von „Femme fatale“, dem fünften Band der Romanserie, passiert.

Essen wir hier gemeinsam mit Satanisten? Was sind das für Geräusche aus der Höhle hinter uns? Auch sie birgt (ohne zu viel vom zehnten Band, dem Roman „Revanche“, verraten zu wollen) ein Geheimnis. Dieses Tal hat eine ungeheure Aura. Man nennt es auch die Wiege der Menschheit, weil in ihm die ersten Zeugnisse der Cromagnon-Menschen gefunden wurden. Gut zwei Dutzend Höhlen und 147 Ausgrabungsprojekte gibt es an der Vézère.

Wurzeln europäischer Kultur

Den wohl berühmtesten Ort darunter suchen wir nun auf, das internationale Zentrum für Höhlenmalerei bei Montignac. Lascaux, das 1940 von vier Jugendlichen entdeckt wurde, zählt inzwischen so wie viele derartige Stätten hier zum Weltkulturerbe der Unesco. Ab 1948 wurde die Höhle für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, doch der Andrang wirkte sich zerstörerisch auf die Malereien an den Kalkwänden aus. Pilzbefall! Seit 1963 dürfen nur noch ausgesuchte Forscher zur Kontrolle herein.

Mindestens ein Mal im Leben sollte man dennoch hierherkommen, zu den Wurzeln der europäischen Kultur: In Sichtweite vom Original wurde eine zweite Höhle gegraben, Lascaux II, eine exakte Nachbildung, 1983 eröffnet. In dem 150 Meter langen Gang ist einmalige Kunst zu sehen. 2000 Figuren und Zeichnungen, geschätzt bis zu 19.000 Jahre alt. Fünf Meter lange Stiere, Hirsche, Steinböcke, Raubtiere, viele Kühe und Pferde, in auffälligen Gruppen, perfekt angepasst an den Stein, oder fabelhafte Wesen wie der „Vogelmann“ und geheimnisvolle Zeichen.

2016 hat man aufgedoppelt – Lascaux IV wurde eröffnet, ein weiterer Nachbau der Höhle in einem futuristischen Gebäude in gebührender Entfernung, der weit größeren Besucherandrang bewältigt. Zwar hat dieser Ort nicht die Aura der Höhle II, aber es werden die neuesten Technologien und aufwendige Multimedialität genutzt. Im Musée national Préhistoire in Les Eyzies de Tayac kann man sich ausgiebig über die Vorzeit informieren, die, wie hier evident wird, gar nicht primitiv war. Das Museum spielt ebenfalls eine Rolle in „Revanche“. Bruno winkt dem Standbild eines Urzeitmenschen zu: „Das ist unser Cromagnon-Mann . . .“

Urzeiten kann man auch in der Nähe im Schloss Comarque empfinden, über dem die Fahne der Templer weht. Sie kommen auch im neuen Roman vor. Der Besitzer der hoch aufragenden Burg, Hubert de Commarque, hat in jahrzehntelanger Arbeit diese Ruine wieder in den imposanten Herrschaftssitz verwandelt, den seine Vorfahren über Jahrhunderte besessen haben. Wir stehen in sumpfigem Gelände, 18 Meter tiefer gebe es die ersten menschlichen Ansiedlungen aus der Steinzeit, sagt der Hausherr. Auch das Mittelalter versinkt langsam in Anschwemmungen, die ein unscheinbarer Bach herbeischafft. Der Aufstieg zum Schloss mit seinen alten Höhlen, das von de Commarque erfindungsreich und verspielt ausgestattet wurde, lohnt sich.
Die Empfehlung gilt auch für die weitläufigen Gärten des Manoir d'Eyrignac, wo im Sommer jede Woche Feste mit 700 Gästen stattfinden. Hier kann man nach dem Essen im Restaurant Côte Jardins ausgiebig lustwandeln, von versteckter Schönheit träumen.

Drei Tage lang nimmt sich Walker Zeit, um mit uns Schauplätze seines neuen Buches zu erkunden, berühmte Schlösser und vor allem ausgesuchte Weingüter zu besuchen. Der Autor bekennt verschmitzt, er wolle in seinem Leben noch alle der fast 1000 Winzer der Region kennenlernen. Inzwischen ist er bereits selbst in diesem Geschäft. Bei seinem Händler vor Le Bugue sur Vézère (dem Vorbild für das fiktive Saint-Denis), der als Highlight Tausende Euro teure Flaschen aus den besten Lagen von Bordeaux anbietet, gibt es auch einen ehrlichen, preiswerten Merlot: Bruno, Bergerac 2014.

Strahlend fischt Walker ihn aus dem Regal. 7000 Flaschen werden derzeit produziert, bei Hugh Ryman vom reizenden Château de la Jaubertie in Colombier. Meist sind die Jahrgänge rasch ausverkauft. Geklagt wird von den Winzern dennoch – darüber, dass man im Schatten von Bordeaux stehe, das durch den Wein reich geworden ist: In der Qualität aber stehe das Périgord dem Marktführer um nichts nach. Kostproben bei Pierre Desmartis im Weingut Château La vieille Bergerie in Pombonne oder im Château de Monbazillac in der Nähe von Bergerac überzeugen uns bald – sie haben wohl recht.

Walker erweist sich als ihr bester Bürge, ja, er ist durch seine hier angesiedelten Krimis sozusagen der britische Botschafter für diesen Landstrich. Wenn er in Le Bugue über den Markt eilt, wird er herzlich begrüßt und umarmt – vom Käsehändler Stéphane etwa, in dem man eine Figur aus den Romanen zu erkennen glaubt. Die Mehlspeisen bei Cauet schmecken so, wie man sie sich in Saint-Denis vorstellte, und natürlich hat auch Bruno ein reales Vorbild. Der Dorfpolizist sei stolz auf die Publicity, sagt Walker. Der Autor hat uns nun in sein Haus eingeladen, das Gastfreundlichkeit ausstrahlt. Es gibt Käse von Stéphane und ehrlichen Wein aus der Region. „Das ist der Schreibturm, in dem ich im Sommer arbeite“, sagt der Autor und weist auf eine alleinstehende Kammer. Viele Jahre wurde am Ausbau dieses kleinen Anwesens gebaut, das einst in einem desolaten Zustand war. Freundlich sieht es aus, der Garten ist gut bestellt. Der Haushund gesellt sich zu uns. Natürlich heißt er Balzac, so wie Brunos Basset. Das Geflügel aber ist politisch. Der Hahn Sarkozy kam ins Ausgedinge, nun herrscht Macron über Hühnerdamen wie die schwarze May. Frau Merkel sei leider gestorben, gesteht Walker, aber nicht im Kochtopf gelandet. Wer weiß, vielleicht steckt doch ein Kriminalfall dahinter.

Tipp

Martin Walker: „Revanche“, Diogenes Verlag
403 Seiten, 24,70 Euro. Neus Werk von Martin Walker: "Die Templer und ein Besuch aus Paris"

Compliance: Der Autor wurde zu dieser Reise von Atout France eingeladen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.