Finnland: Ein Kreuzfahrtwochenende mit Wellnessfaktor

An der zerfaserten Uferlinie des Saimaa-Sees findet jeder sein Stück Einsamkeit. Und mit etwas Glück und kundiger Führung lassen sich Bären beobachten.
An der zerfaserten Uferlinie des Saimaa-Sees findet jeder sein Stück Einsamkeit. Und mit etwas Glück und kundiger Führung lassen sich Bären beobachten. Visit Finland
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Finnland bietet eine nette, kleine Kreuzschifffahrt mit Waldaroma. Wer will, kann auch Stadtluft schnuppern.

Ein kleines Kreuzfahrtwochenende mit Wellnessfaktor von Travemünde aus, nach Finnland und zurück, ist natürlich für Norddeutsche ein Hupferl. Sie machen das auch ganz gern, inklusive einer Tagestour durch Helsinki und netter Retourfahrt. Aber auch aus dem Süden, aus Österreich, zahlt es sich aus, wenn man ein paar Tage anhängt.

Um 23 Uhr beginnt das Boarding in Travemünde, um drei Uhr früh wird abgelegt. Bis dahin gibt's eine kräftige Fleischsuppe und ein kühles Bier, dann vielleicht noch einen Absacker an der Bar, die bis vier Uhr früh geöffnet hat, und ab ins wiegenartige Bett, während draußen die Ostsee vorbeirauscht. Ein Tag an Bord, mit Sauna und Whirlpool, Gymnastikraum, Shoppen und Liegestuhlliegen, überquellenden Buffets und Relingspaziergängen, ganz ohne Animation oder sonstige Bordbelustigungen (sieht man von einem „Wuzler“ ab). Das zwingt zur Entspannung. Wie auch das recht schlechte Internet, ein wahrer Segen.

An der zerfaserten Uferlinie des Saimaa-Sees findet jeder sein Stück Einsamkeit. Und mit etwas Glück und kundiger Führung lassen sich Bären beobachten.
An der zerfaserten Uferlinie des Saimaa-Sees findet jeder sein Stück Einsamkeit. Und mit etwas Glück und kundiger Führung lassen sich Bären beobachten. Staffan Widstrand

So eine Schifffahrt ist schon seltsam. Kaum ist man an Bord, scheint die Zeit stehen zu bleiben. Obwohl es sofort eine Stunde später ist: An Bord gilt die finnische Zeitzone. Aber irgendwie fühlt man sich außerhalb, auf seiner eigenen, schwimmenden Insel, auf der niemand einem den Tagesablauf vorschreiben kann. Nur die Essenszeiten sind eingeteilt, höchst großzügig auszufüllen: ab 9.30 Uhr Brunchbuffet bis 13 Uhr, ab elf Uhr mit frischen Mittagsgerichten. Nach kurzem Geplauder mit dem Koch wächst nicht nur die Ehrfurcht vor der perfekten Organisation einer Schiffsküche mit nur vier Mitarbeitern und den Mengen, die Passagiere in 30 Stunden vertilgen können, man lernt auch, dass Milch in Finnland anders schmeckt als in Deutschland und dass Deutsche lieber Roggen- als Mischbrot essen. Das wird natürlich, wie viele andere „Extrawürstel“, beim Buffet berücksichtigt.

Nach einer weiteren Wiegennacht kommt man um 9.30 Uhr in Helsinki an, treibt sich in der hübschen, gemütlichen Stadt herum und besteigt – wenn man sich bloß zu einem Wochenende entschlossen hat – um 15 Uhr (Abfahrt: 17 Uhr) wieder das Schiff. Daheim (in Travemünde) wäre man am nächsten Tag um 21.30 Uhr. Aber als Österreicher baut man den Trip in einen längeren Aufenthalt ein.

Hanseatische Einstimmung

Je länger, desto besser. Denn Finnland ist unglaublich entspannend, weit und leer, da passt kein enger Terminplan. Man fliegt also nach Hamburg, ist in 30 Minuten mit der S-Bahn beim Hauptbahnhof und nimmt den Zug, der einen nach 45 Minuten in Lübeck ausspuckt. Sich die Stadt anzusehen, mit dem leicht schiefen, faszinierenden Holstentor und den grachtenartigen Flüsschen, dem Buddenbrook-, Willy-Brandt- und Günter-Grass-Museum, das ist schon einmal ein guter Einstieg in den hanseatischen Norden. Dann nimmt man sich ein Taxi zum Hafen in Travemünde, und während man in der Eincheckhalle auf den Shuttle wartet – vorbei das romantische Betreten eines Schiffes über die Reling, aus Sicherheitsgründen ist der Hafen für allein herumirrende Passagiere gesperrt –, kann man sich in dem schon berühmten Hafenshop recht günstig mit Proviant, Alkoholika und Süßigkeiten eindecken, was sparsame Passagiere gern tun, Lkw-Fahrer zum Beispiel: Finnlines ist schließlich eine Fähre, auf der auch viele Laster und Container transportiert werden, für deren Besatzung sogar ein eigenes Kabinendeck mit Sauna etc. zur Verfügung steht.

Helsinki lohnt je einen Tag auf der Hin- und der Rückreise. Gegen Abend kann man sich dann ins Mietauto setzen und zweieinhalb Stunden in Richtung Finnischer Seeplatte fahren, nach Mikkeli am Saimaa-See. Diese Landschaft wurde von einem US-Magazin kürzlich als eine der schönsten Gegenden der Welt bezeichnet, aber viele Finnen wissen das ohnehin längst und haben dort ein Sommerhäuschen. Trotzdem ist es einsam und der nächste Nachbar so gut wie nicht vorhanden: Der Saimaa-See ist der viertgrößte Europas, hat fast 15.000 Kilometer Uferlinie und unzählige Inseln, da kann man schon verloren gehen, wenn man will.

Und die Finnen wollen. Bei 16 Einwohnern pro km² tun sie auch gut daran. Immer wieder gibt es Witze und Anekdoten über diesen Hang zu Einsam- und Schweigsamkeit, die auch die Finnen selbst gern über sich erzählen: Keiner steigt in den Lift, in dem schon einer steht; hört man einen Nachbarn auf dem Gang, wartet man, bis er in seiner Wohnung verschwunden ist; eine Sauna wirkt für einen Finnen voll besetzt, sobald jemand anderer Platz genommen hat. Aber hat man sie einmal kennen gelernt, dann hat man Freunde fürs Leben gefunden. Und wenn man sie nächtens beim Karaokesingen erwischt, einer finnischen Leidenschaft wie Tangotanzen und Frauenschleppen (nur im Juli, Distanz 255 Meter, der Sieger erhält das Gewicht seiner Frau in Form von Bier), dann weiß man, dass hinter der stillen Fassade viel vorgeht. Eine wahre Geschichte: Ein Mann nimmt auf einer Bank neben einem anderen Platz, man raucht, man schweigt. Stundenlang. Danach bemerkt er zu seiner Frau: „Der war aber sympathisch.“

Animalische Alleingänger

Im Saimaa-See leben einzigartige Robben, die sich diesem finnischen Lebensgefühl angepasst haben. Oder umgekehrt? Jedenfalls bleiben diese Robben, im Gegensatz zu ihren Artgenossen, ganz allein, treffen sich nur zu Paarungszeiten – wie die 400 Exemplare das in diesem Riesensee machen, ist ungeklärt – und trennen sich sofort wieder. Die Weibchen versorgen ihr vier bis fünf Kilo schweres Baby, das täglich 300 Gramm zunimmt, in ausgescherten Eishöhlen ganz allein, aber nach zehn Wochen ist Schluss damit – und eine weitere einsame Robbe durchschwimmt die Saimaa-See-Weiten. Sollte man knapp nach der Schneeschmelze, von Mitte Mai bis Mitte Juni, über den See paddeln, kann man ein paar Wochen beobachten, wie sie sich, auf flachen Steinen liegend, die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Sonst sind sie leider so gut wie unsichtbar. Aber es gibt an den finnischen Seen auch anderes zu beobachten: Bären beim Watching inklusive Fütterung, Wölfe, Wildschweine, Elche, Luchse und eine reiche Vogelwelt. Nicht zu vergessen und zu sammeln (eine Lieblingsbeschäftigung der Finnen): Beeren und Pilze. Sie wachsen im Überfluss, japanische Touristen sind da besonders fleißig, wie man hört, aber besonderen Fleiß braucht man gar nicht, denn man muss schon sehr vorsichtig sein, nicht auf die Schwammerln zu treten, wenn man durch den Wald schweift.

Sportliche Möglichkeiten

Was steht noch auf der Agenda? Die Sauna natürlich, immer und überall vorhanden, meist mit einem seegroßen „Tauchbecken“ vor der Tür. Zudem locken Golfplätze, herkömmliche sowie Frisbee-Golf-Parcours, man kann fischen (im Winter eisfischen), Rad fahren, rudern, paddeln, cross country laufen oder – das eher für Hartgesottene – schwimmen, im Winter (oft minus 32Grad, aber trocken, daher besser auszuhalten) eissegeln, Schlittschuh laufen oder schneeschuhwandern, mit Motor- oder Huskyschlitten durch den Winterwald flitzen oder einfach vor dem Kamin in seinem Mökki (Ferienhaus) sitzen, einen Holzbecher (Kuksa) mit Beerenwein in der Hand oder ein Stamperl mit Salmiakki, einem gewöhnungsbedürftigen Lakritzlikör, und den Herrgott einen guten Mann sein lassen.

Also nichts wie hingeschippert nach Finnland mit seinen 187.000 Seen, 180.000 Inseln, den meisten Metalbands, den absurdesten Bandnamen, wo man den meisten Kaffee trinkt, Linux und Angry Birds erfunden hat und im Vorjahr 100 Jahre Unabhängigkeit gefeiert hat. Der Seeweg ist dabei ein Teil vom Ziel.

NACH DEM MEER IN RICHTUNG SEE

Unterkünfte: Etwa zwei Stunden von Helsinki entfernt: Anttolanhovi Wellness Village, ein ehemaliges Sanatorium mit zwölf neu gebauten Designervillen im Wald, direkt am See, mit eigener Sauna, großzügiger Küche, offenem Kamin, total uneinsichtig und privat. www.anttolan-hovi.fi/home

Wer noch etwas weiter fahren will: Nach etwa vier Stunden erreicht man das Hotel & Spa Resort Järvisydän am anderen Ufer des Saimaa-Sees, ein rustikales Hotel mit viel Holz und Wikingerflair, einem neu gebauten „Lake Spa“ mit fünf unterschiedlichen Saunen, Ruheräumen, Seezugang und Schwimmbecken, wo man neben Bootsausflügen etc. auch SUP oder Aerial Yoga angeboten bekommt. www.jarvisydan.com

Compliance: Diese Reise erfolgte auf Einladung von Finnlines www.finnlines.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2018)

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