Kitzbüheler Alpen: Mit Wanderschuhen auf dem Laufsteg

(c) imago/Rainer Mirau
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Von der Stube des Almliteraten, durch ein Meer von Almrosen
bis hin zum Panoramablick auf dem 1925 Meter hohen Lodron-Gipfel: Unterwegs auf dem 106 Kilometer langen Weitwanderweg in den Kitzbüheler Alpen.

Die Zeit scheint hier schon vor Längerem stehen geblieben zu sein: Beim Betreten der kleinen, aus Stein und Holz gebauten Almhütte fällt der Blick auf die große Feuerstelle. Darüber hängen Schnitzereien, Speck und ein großer, schwarzer Kessel. „Eineinholb Stund muas i da jedn Tog rührn“, erzählt Sepp, der mit seinem karierten Holzfällerhemd und dem langen weißen Bart selbst etwas aus der Zeit gefallen wirkt.

Das Ergebnis von Sepps Arbeit lässt sich hinter der Holztüre gegenüber der Feuerstelle sehen: In der dunklen, kühlen Kammer lagert der reifende Käse. Dutzende Laibe – von noch nahezu Weiß bis Dunkelgelb – liegen auf fünf Holzbrettern und sind der Stolz des Senners. Den 28. Sommer verbringt der Tiroler bereits mit seinen zehn Milchkühen, 16 Jungrindern, sechs Ziegen und einer Katze auf der Unteren Lärchenbergalm.

Doch Sepp Kahn, der von den Gästen nur beim Vornamen genannt wird, hat sich nicht nur dadurch einen Namen gemacht. Sonder in den eineinhalb Stunden, in denen er täglich zum „Kasn“ beim Kessel steht, lässt er auch die Gedanken „afoch schweifn“. Am Abend, wenn er in die kleine Stube nebenan geht, bringt er sie zu Papier. Es werden Mundartgedichte, Kurzgeschichten und sogar ganze Bücher daraus. Eine Kostprobe davon gibt es bei einem Glas Milch und einem Käsebrot zu hören. Da beginnt der „Almliterat“ über höchst Aktuelles, wie die Hektik des Alltags und die Kostbarkeit von Zeit, zu philosophieren.

Damit gibt er den Wanderern, die hier vorbeikommen, gleich etwas zum Nachdenken mit. Sepps Alm liegt zwar auf 1540 Höhenmetern, befindet sich aber direkt am Laufsteg. Der Weitwanderweg, der hier vorbeiführt, wird nämlich KAT-Walk (angelehnt an den englischen Catwalk) genannt. Wobei das KAT hier nicht für Laufsteg, sondern für „Kitzbüheler Alpen Trail“ steht. Seit fünf Jahren können Wanderer hier entlang von gut markierten Wegen durch die Kitzbüheler Alpen spazieren.

In sechs Tagesetappen, die technisch nicht übermäßig anspruchsvoll sind, für die es aber schon eine gewisse körperliche Ausdauer braucht, ist die Tour gegliedert. Insgesamt werden 106 Kilometer und 6350 Höhenmeter auf dem Weg von Hopfgarten über die Kelchsau, das Windautal nach Aschau und weiter nach Kitzbühel und St. Johann in Tirol bis zum Ziel nach St. Ulrich am Pillersee zurückgelegt (siehe Grafik). Man kann aber auch die fünftägige Kompaktvariante wählen.

Jagdhof und Prälatenkammerl

An Sepps Alm kommt man auf der zweiten von sechs Etappen vorbei. Sie startet in der Kelchsau. Nach einer Nacht beim Fuchswirt. Es ist das einzige Gasthaus und damit auch die einzige Übernachtungsmöglichkeit in dem abgeschiedenen Ort. Der Landgasthof mit seinem dunklen Holzbalkon, seinem Glockenturm am Dach und den roten Blumen wirkt auf den ersten Blick urig und tirolerisch.

Die Hoteliersfamilie Mendez-Schwab bringt aber auch internationales Flair ins Tal. Es kann schon vorkommen, dass man an der Hotelrezeption in eine kurze spanische Unterhaltung verwickelt wird, und dass die österreichische Hausmannskost, die am Abend in der Stube serviert wird, nicht ganz wie gewohnt schmeckt.

Dafür erfüllen die Zimmer – von der kaiserlichen Jagdhofsuite bis zum Prälatenkammerl – jedes Heimatfilmkriterium. Niedrige Türen, schwere Holztruhen, robuste Holzbetten und dickes Gemäuer so weit das Auge reicht. In diesen Zimmern würde, wer ländlichen Charme mag, gern länger bleiben. Doch es geht weiter. Die nächste Etappe der Weitwanderung wartet.

Die Rucksäcke werden gepackt. Über die Schulter muss allerdings nur der kleinere der beiden, in dem gerade einmal die Tagesausrüstung Platz hat, geworfen werden. Der große, schwere darf beim Fuchswirt stehen bleiben. Denn das Gepäck wird für Gäste, die das KAT-Walk-Paket gebucht haben, automatisch weitertransportiert. Es wird am Abend schon im nächsten Ort, im Gasthaus Steinberg in der Windau, bereitstehen.

Man selbst hat davor noch 15,5 Kilometer zurückzulegen. Es ist ein sechsstündiges Wandererlebnis, das zwar auf der Asphaltstraße beginnt, aber schnell hinter drei Almengebäude in den Wald führt. Es geht über Stock, Stein und Wurzeln. Später über Wiesen, Forstwege und Weiden. Man beginnt, mit jedem Höhenmeter ein bisschen mehr von der Landschaft, der umliegenden Bergwelt, zu sehen. Bald kündigen die Kühe und Schweine, die am Wegrand stehen, die nächste Hütte an. Auf der Unteren Lodronalm, die auf 1486 Metern liegt, darf gerastet werden. Auch eine kleine Mahlzeit – vor allem die gschmackige Kaspressködelsuppe – ist zu empfehlen.

Ein Meer von Almrosen

Gestärkt macht man sich danach zum Gipfel auf. Es ist nicht mehr weit. Das große Gipfelkreuz am Lodron ist schon aus der Ferne zu sehen. Erst wenn man auf 1925 Metern angekommen ist und auf der Holzbank Platz nimmt, wird man mit einem 360-Grad-Blick belohnt. Langsam schweift der Blick von den mit Schnee bedeckten Hohen Tauern über das Rofangebirge, die Guffertspitze, das Mangfall- und Sonnwendgebirge, die Hohe Salve, den Wilder Kaiser bis hin zum markanten Großen Rettenstein. Nicht ohne Grund wird der Lodron als einer der besten Aussichtsberge der Kitzbüheler Alpen bezeichnet. Würde der Wind nicht über den Gipfel brausen, fiele es schwer, hier wegzugehen. Doch immerhin geht es nun bergab – durch eine saftgrüne, hügelige Landschaft, die immer wieder von einem Meer an Almrosen bedeckt ist. Man überquert kleine, glasklare Bäche und spaziert immer den rot-weiß-rot bemalten Steinen nach. Bis man vor Sepps Hütte steht.

Mit dem Nachhall seiner Worte spaziert man weiter, denkt über das Leben des Senners in Abgeschiedenheit und Ruhe nach und ertappt sich kurz dabei, sich selbst gedanklich beim „Kasn“ über dem Kessel und in der Stube sitzend zu sehen.

Dann taucht man in einen feuchten Wald ein. Farne bedecken den Boden, Moos bedeckt die Bäume. Die Natur hier am Weitwanderweg ist abwechslungsreich. Landschaft und Ausblick verändern sich. Man legt ja auch lange Strecken zurück. Das Gefühl, von Ort zu Ort zu marschieren, ist besonders motivierend. Es erfüllt mit mehr Stolz, als die üblichen Rundwanderwege zu absolvieren.

In den Füßen spürt man das dennoch irgendwann. So ist man froh, als man nach sechs Gehstunden die Terrasse des Gasthauses Steinberg, auf dem ein Sommerspritzer zur Erfrischung getrunken wird, erreicht. Dort darf man sich auf das Abendessen freuen. Immerhin befindet man sich hier nun in einem der 23 Kochartbetriebe, die mit heimischen Bauern und Produzenten zusammenarbeiten und sich die Verarbeitung vorwiegend regionaler und saisonaler Produkte auf die Kochschürze geschrieben haben.

Kein Organisationsaufwand

Am nächsten Morgen steht die Etappe von Windau nach Aschau vor der Tür. So sieht es das kleine KAT-Walk-Büchlein vor. In diesem finden sich alle notwendigen Urlaubsinformationen. Auf dem gesamten Weitwanderweg braucht man – von der Hotelbuchung über den Gepäcktransport und Lunchpakete bis hin zu Wanderrouten – nichts mehr selbst zu organisieren. Das hat man mit der Buchung des Pakets schon von zu Hause aus erledigt. Der Organisationsaufwand entfällt. Das Naturerlebnis bleibt. Denn wandern muss beziehungsweise darf man noch selbst. Dafür wird man belohnt – wer den Laufsteg mit Wanderschuhen beschreitet, hat sich neben einer Milch und anregenden Gedanken in Sepps Alm auch eine Urkunde verdient.

WEITWANDERN

Die Anreise: Nach Hopfgarten, dem Ausgangspunkt für den KAT-Walk, kann man bequem mit dem Zug anreisen.

Die Region: Die Kitzbüheler Alpen umfassen als touristische Region die Hohe Salve, Brixental, St. Johann in Tirol und Pillerseetal. www.kitzalps.com

Die Wandertour: Alle Infos über den mehrtägigen KAT-Walk findet man unter kat-walk.at. Unter kat-walk.at/buchen kann man die Tour sowie alle Hotels in einem Paket buchen.

Compliance-Hinweis: Ein Teil der Reisekosten wurde vom Kitzbüheler Alpen Marketing bzw. den ÖBB übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2018)

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