Sights: Schön wie eine Metrostation

Kunstraum U-Bahn: Die Station Rådhuset ist eine von vielen in Stockholm.
Kunstraum U-Bahn: Die Station Rådhuset ist eine von vielen in Stockholm.Travelcircus
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Welches die schönsten U-Bahnhöfe der Welt sind, ist natürlich Ansichtssache. Doch manche haben tatsächlich das Zeug zur eigenständigen Sehenswürdigkeit. Wo es sich lohnt, einen Zug zu verpassen. Zum Ticketpreis ist man dabei.

Manchmal muss man in die Tiefe steigen, um baukünstlerische Höhepunkte zu finden. Denn U-Bahnhöfe in den Metropolen sind nicht immer einfach nur Orte, an denen „Zug – fährt – ab“ in den Sprachen der Welt zu hören ist, sondern lohnen manchmal, einen oder mehr Züge zu verpassen: Man kann sich dann in Ruhe umsehen. Die Buchungsplattform Travelcircus hat die schönsten U-Bahn-Setationen der Welt zusammengestellt, wobei Schönheit bekanntlich im Auge des Betrachters liegt. Bei diesen zehn Kandidaten sind sich aber diverse Rankings einig, dass sie es verdienen, auf die Liste der „Must sees“ zu wandern.

In Schweden können die Stationen überdies noch die Kategorie Museumsbesuch erfüllen, denn die Stockholmer U-Bahn ist nicht nur die einzige im Königreich, sondern gleichzeitig eine gigantische Kunstgalerie – die im Travelcircus-Ranking auf dem ersten Platz landet. In mehr als 90 der insgesamt 110 U-Bahn-Stationen finden sich hier Mosaike, Installationen, Gemälde und Skulpturen von rund 150 Künstlern. Begonnen hat alles mit einem Wettbewerb im Jahr 1957 für die Haltestelle T-Centralen, ehe weitere Stationen folgten, in denen heute Werke von den 1950er- bis in die 2000er-Jahre zu sehen sind. In der Station T-Centralen beginnen auch tägliche Führungen durch die kunstvolle Unterwelt Stockholms, die im Preis eines gültigen U-Bahn-Tickets enthalten sind.

Zu den jüngsten Mitgliedern im Kreis der Kunst-Stationen gehört die U-Bahn der taiwanesischen Hafenstadt Kaohsiung. Sie besteht seit 2008 aus zwei Linien mit 37 Stationen, von denen fünf von internationalen Künstlern gestaltet wurden. Die größte Aufmerksamkeit erhält die Station Formosa Boulevard, in der der Italiener Narcissus Quagliata einen gigantischen Lichtdom aus 4500 Glasstücken kreierte: 30 Meter Durchmesser und vier Bereiche, die Wasser, Erde, Licht und Feuer symbolisieren sollen und mehrmals täglich mit einer Lichtshow inszeniert werden. (SMA)

Kathedralen für Passagiere

Auf dem dritten Platz findet sich eine der ältesten und prächtigsten U-Bahnen der Welt, jene in Moskau. Viele ihrer 200 Stationen gelten seit der Eröffnung 1935 als Kunstwerke an sich und werden oft mit unterirdischen Kathedralen verglichen. Zu den neueren gehört die 2003 eröffnete Station Park Pobedy, die mit weißem und hellbraunem Marmor verkleidet und mit glänzenden Granitböden ausgestattet eher wie der Prachtsaal eines Schlosses anmutet denn als Metrostation. Erreicht werden kann sie über eine 126 Meter lange Rolltreppe, eine der längsten weltweit.

Eher in die Kategorie cool fällt dagegen der U-Bahnhof HafenCity Universität in Hamburg, der 2012 eröffnet wurde. Hier sorgen zwölf riesige, von der Decke hängende Leuchtcontainer für das passende Licht im neuen Stadtteil. Jeder wiegt sechs Tonnen und hat 280 LEDs, die für eine so spezielle Lichtstimmung sorgen, dass die Inszenierung 2013 den Radiance Award for Excellence in Lighting Design erhielt.

Platz fünf geht an einen U-Bahnhof, der schon seit mehr als einem halben Jahrhundert in Pension ist, die City Hall Station in New York City. Sie war 1904 die erste Endstation der neu erbauten U-Bahn und entsprechend prächtig gestaltet: Im Stil der Neoromanik mit einer einzigartigen Gewölbeverkleidung in gelben und grünen Fliesen. 1945 wurde der Bahnhof zwar wegen Passagiermangels geschlossen, aber er wird weiterhin als Wendeschleife der Linie sechs genutzt. Und ist mehrmals im Jahr das Ziel von Führungen, die schnell ausgebucht sind.

Einen Ausflug unter in das Meer kann man in Neapel machen: Hier gehört die Station Toledo zu den spektakulärsten der Stadt. Sie befindet sich teils unterhalb des Meeresspiegels, was den spanischen Architekt Óscar Tusquets Blanca inspiriert hat. Mit Licht, Installationen, blauen Fliesen und organischen Formen vermittelt er hier das Gefühl, unter Wasser zu sein; an der Decke der Rolltreppe sorgt dagegen der „Krater“ für Tageslicht in der Tiefe.

Ein kreativer Ausreißer im besten Sinn ist auch Nummer sieben im Ranking der Buchungsplattform: die U-Bahnstation Marienplatz in München. Statt im einheitlichen „frischen Steingrau“ (© Loriot) aller anderen Stationen der 1971 eröffneten U-Bahn leuchtet sie mutig orange. Und stimmt viele Menschen fröhlich, denn hier steigen pro Stunde zu Spitzenzeiten mehr als 24.000 Personen um. Ein sinnliches Erlebnis eher bewegender Art können Besucher der Budapester Métro auf sich wirken lassen: Die 2014 eröffnete Station Szent Gellért Square wurde von Tamás Komoróczky mit 2,8 Millionen kleinen Mosaikfliesen gestaltet, die so angeordnet sind, dass man das Gefühl hat, in einer gigantischen Welle zu stehen.

Das Thema Wasser dominiert auch die Station BurJuman, ihres Zeichens eine der ersten Metrostationen in Dubais 2009 eröffneter U-Bahn. Für das passende Unterwassergefühl im landestypisch prächtigen Stil sorgen vor allem die gigantischen Kristallluster in Quallenoptik, außerdem Fotos, die die Geschichte der Fischerei und Perlentaucherei in dem Emirat erzählen. Ganz abgesehen von der Optik gilt die U-Bahn Dubais mit ihren fahrerlosen Zügen als eine der modernsten der Welt.

Große Luster haben auch dem letzten U-Bahnhof unter den Top Ten zu seinem Ruf als Sehenswürdigkeit verholfen: Die 64 Luster neben den Granitsäulen, mit denen der Architekt Rainer G. Rümmler 1984 der Berliner Station Rathaus Spandau ihre besondere Atmosphäre verlieh, gelten bis heute als architektonisches Meisterstück. Das seit 2017 unter Denkmalschutz steht. (sma)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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