Sportivity, Happiness, Nanotourismus: Die neuen Reisetrends

2017 war ein Reise-Rekordjahr
2017 war ein Reise-RekordjahrGetty Images
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Schon in der kultigen italienischen Trickfilmserie ging es darum, auf Reisen sein Glück zu finden. Heute machen die Rossis aus aller Welt im Urlaub genau das: Aufregendes, Sinnvolles, Positives suchen. In Kürze auch beim Reisesalon.

"Wer dauerhaft glücklich sein will, muss sich oft verändern", sagte Konfuzius. Eine Einladung zum Reisen, ausgesprochen 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung und immer noch aktuell. Glück ist schwer zu definieren, doch dass es mit positiven Erlebnissen – Naturempfindung, Begegnungen mit Menschen, Reiseerfahrung – zu tun hat, bestätigt Manfred Rauchensteiner, Glücks-coach und Mitglied des Instituts für Europäische Glücksforschung in München. Matthias Horx fasst es in seinem „Zukunftsreport 2018“ unter dem Begriff Resonanz zusammen. Dieses Schlüsselwort unserer Epoche beschreibt alles, was uns mit der Welt, den anderen, der Zukunft verbindet – also „Kunst, Kultur, Musik, Gespräch, ja selbst das gemeinsame Essen“.

Was die Suche nach dem Glück betrifft, machen wir es hierzulande intuitiv richtig. Denn wie die 22. Österreichische Tourismusanalyse des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in Wien belegt, war 2017 ein Reise-Rekordjahr: 64 Prozent der Österreicher verbrachten ihren Haupturlaub außer Landes, 2015 waren es 56 Prozent. Österreich ist in Bewegung, und noch nie gab es so wenige Daheimgebliebene. Auch längere Urlaubsreisen – 14 Tage und mehr – hätten deutlich zugenommen, konstatiert der Trendforscher Peter Zellmann. Ein erfreuliche Entwicklung, bestätigt Christine Neumeister-Böck, die ihren 2012 ins Leben gerufenen Reisesalon im Apothekertrakt und der Orangerie von Schloss Schönbrunn heuer „Festival der Glücksmomente“ nennt. Der dort gezeigte Mix aus mehr als 100 Ausstellern – Destinationen, Hotels, Veranstalter, Airlines – spiegelt gut aktuelle Trends wider: Nun wieder am 17. und 18. November.

Einige der schönsten Orte der Welt sind Motus. Was darunter zu verstehen ist? Motus bilden einen Ring um eine große Insel im indischen Ozean und werden von Paul Gauguin Cruises, die Coco Tours neu im Programm hat, angesteuert. Sie sind meistens unbewohnt und ohne Vegetation. Ein Rundgang dauert genau fünf Minuten. Es gibt nicht viel zu sehen: Nur Palmen, Krabben, scharfkantiges Korallengeröll. Und nachts den Sternenhimmel, der wirkt, als hätte jemand gerade einen Lichtschalter angeknipst. Ist das das Glück?

Staatsangelegenheit Happiness

Oder ist es „Sportivity“, ein Urlaub, der ausschließlich der Ertüchtigung dient? Auch da werden die Endorphine ordentlich aufgewirbelt. Bei Bootcamp, TRX-Training, Power-Workout, Freeletics, Beach CrossFit, Functional Fitness und Bauch-Intensiv gelingt der Stressabbau mit Sicherheit. Und dazu kommen noch: Stretching, Zirkeltraining, Jogging, Dünenläufe und Power Walking. In Wirklichkeit aber wollen die meisten doch mehr als einen Superbizeps. Deshalb lohnt sich mitunter der weite Weg ins Himalaya-Königreich Bhutan. Das kleine Land zwischen China und Indien hat „Happiness“ zur Staatssache erklärt und misst für seine Bewohner jährlich das „Bruttoglücksprodukt“. Kriterien sind neben Lebensstandard, Gesundheit, psychischem Wohlergehen auch Bildung, Zeiteinteilung, kulturelle Vielfalt, gute Regierungsführung und Gemeinschaftsgefühl. Die Einreise ist grundsätzlich nur als Tourist oder als Gast der Regierung möglich und muss über ein registriertes Reiseunternehmen gebucht werden. Zum Beispiel über reisethek.at, das ebenfalls beim Reisesalon vertreten sein wird. Ein Ansatz, der auch vielen der sogenannten Millennials ein Anliegen ist: Ökologisch vertretbares und sozial verantwortliches Reisen ist gut für die Umwelt und macht zufrieden.

Kurz einmal dazugehören

In diesem Segment punkten neuerdings immer öfter die kleineren Länder Europas. Zum Beispiel Slowenien, das sich seit 2014 dem „Nanotourismus“ verschrieben hat. Das Kunstwort beschreibt partizipatorische, lokal orientierte Initiativen, die Anbieter und Konsumenten vernetzen. So entwickelte sich im Nachbarland etwa der Api-Tourismus zu einem florierenden Wirtschaftszweig. Hobbyimker und Naturfreunde erforschen die Welt der Bienen und lernen die Traditionen des Landes kennen.

„Mittendrin statt nebenher“ bzw. „Teilhaben und dazugehören statt nur beobachten“ – diesem Trend entsprechen Workshops, die beim Festival des Reiseglücks ebenfalls geboten werden: süße Waffeln backen wie in Flandern oder Sevillana tanzen wie in Andalusien. Das spanische Fremdenverkehrsamt ist übrigens heuer erstmals dabei und hat neue Direktflüge nach Bilbao, Sevilla und Valencia im Gepäck.
Abseits der ausgetretenen Pfade, diesem Grundsatz fühlen sich viele Veranstalter nach wie vor verpflichtet. Der Wunsch nach individuellen, einzigartigen Erlebnissen sei nicht neu, doch identifizierten sich die Millennials viel stärker noch als vorherige Generationen damit, meint Ulrich Reinhardt, Professor für Empirische Zukunftsforschung an der FH in Heide: „Sie wollen Pionier statt Follower sein. Einen Ort zu entdecken, wo andere noch nicht waren, das sorgt für Anerkennung und Bewunderung seitens Dritter.“

Daraus erklärt sich der Erfolg von Unternehmen wie Chernobyl.wel.com, gegründet 2008 von dem slowakischen Journalisten Dominik Orfanus. Von der eintägigen RetroTour (inkl. dosimetrischer Kontrolle) über den Dreitagestrip, bei dem man die Arbeiter und Babuschkas von Tschernobyl kennenlernt, bis zur einwöchigen Reise mit AKW-Besichtigung, Übernachtung in der Geisterstadt Pripyat und Zugang zu den sogenannten No-go-Areas ist alles dabei, was Gänsehaut erzeugt – und Demut gegenüber dem eigenen Glück. reisesalon.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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