Amanshausers Welt: 107 DDR

Dieses Tuch lag unter dem Inspirator PUT
Dieses Tuch lag unter dem Inspirator PUT(c) Die Presse (Martin Amanshauser)
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Martin Jankowski, einst DDR-Oppositioneller, besitzt heute noch seine Geruchsprobe.

TIPP

Was in dem Einmachglas drin ist? Als ein Freund es mir 1990 zu Ostern schenkte, wusste ich das selbst nicht. Ich hatte so was nie gesehen. Es handelt sich um eine „Geruchsprobe für die Hundefahndung“, die mir die Stasi unbemerkt abgenommen hatte. Ein versiegeltes gelbes Antistatiktuch mit meinem unverwechselbaren Geruch. Ich war die letzten DDR-Jahre in Leipzig als Liedermacher in der oppositionellen Szene unterwegs, und offenbar hielten sie es für nötig, von Menschen wie mir Geruchsproben anzulegen.

Oben mein Name, darunter die Personenkennzahl 290565416428, beginnend mit Geburtsdatum – die Orwell’sche Zahl des DDR-Sozialismus. Die Probe war, siehe links oben, am 12. 1. ’89, um 20 Uhr, hergestellt worden. Ich musste nur in meinem Terminkalender nachsehen. Zu dieser Stunde hatte mich mein damaliger Manager Odwin Quast, ein Stadtkulturbeauftragter, zu einer Besprechung eingeladen. Wir hatten an einem Tischchen mit stoffbespannten Klubsesseln aus den Sechzigern gesessen. Die Stasi nahm Geruchsproben so: Sie bastelten einen Stuhl auf und legten diese Tücher unter den Sitzbezug. Die Besprechung war seltsam – irgendwelche Vertragsgeschichten für Auftritte, die ohnehin geklärt waren.

Weiter unten steht auf der Geruchsprobe „OV Maja“, also „Operativer Vorgang Maja“, Letzteres ein Kürzel für Martin Jankowski. OV bedeutete, du wirst bearbeitet, bist Objekt einer Überwachungsmaßnahme, in meinem Fall Zersetzungsmaßnahme. Das hieß wirklich so. Darunter die Paragrafen 106 und 107 des Strafgesetzbuches: „ungesetzliche Verbindungsaufnahme“ (zum Beispiel zu Westjournalisten, darauf standen bis zu achtzehn Jahre Freiheitsentzug) und „Bildung einer terroristischen Vereinigung“. Was recht
lustig ist, ich war ja bei der kirchlichen Friedensbewegung! Unten steht noch mein Allerliebstes, die Dienststelle, „XX17 Menge“, also Hauptabteilung 20, Abteilung 7 und Oberleutnant Menge, mein Überwacher.

Sie wollten mich als einen „Inspirator PUT“ („politische Untergrundtätigkeit“) überführen. 1989, als sie die Geruchsprobe nahmen, war ich schon seit zwei Jahren größtenteils zu illegalen Auftritten übergegangen, da man mir keine Bühnenzulassung geben wollte. Ich war 23. Meine Wohnung war verwanzt. Im Jahr vor der Wende hatte ich Reiseverbot.

Ich habe damals die Friedensgebete in Leipzig mitorganisiert, und da wurde es wirklich heiß. Am 9. Oktober 1989 gingen nach dem Friedensgebet 70.000 Leute auf die Leipziger Straßen, obwohl die DDR verkündet hatte: Wenn ihr das tut, schießen wir. An diesem 9. Oktober in Leipzig wurde die deutsche Geschichte – friedlich – entschieden. Und über Nacht wurde meine Geruchsprobe für die Stasi wertlos.

Würde man sie heute einem Hund unter die Nase halten, könnte der mich aufspüren. Falls mein Geruch in den letzten 25 Jahren nicht verdorben ist. Was für eine Zeitreise. Wenn ich einmal verschwinde, kann man das Glas öffnen. Und mich vielleicht finden!

Martin Amanshauser, "Logbuch Welt", 52 Reiseziele
Bestellungen online oder Fax 01/514 14-277.

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